Günstiger-Strom-Gesetz: Bundesrat beschließt Reform und legt Weichen für Netzstabilität und Sozialtarife. (Stand: 2025-12-17) Die Entscheidung hat direkte Folgen für Haushalte in Wien, Graz, Salzburg und allen Bundesländern.
Günstiger-Strom-Gesetz bringt neues Strommarktdesign
Am 2025-12-17 bestätigte der Bundesrat mit der verfassungsrechtlich notwendigen Zweidrittelmehrheit das sogenannte Günstiger-Strom-Gesetz. Der Beschluss, getragen von ÖVP, SPÖ, NEOS und Grünen, schafft einen neuen Rechtsrahmen für den Strommarkt. Das Gesetz richtet sich an Verbraucherinnen und Verbraucher, Energieversorger, Netzbetreiberinnen und Netzbetreiber sowie die Politik auf Bundes- und Landesebene. Ziel ist es, Strompreise langfristig zu stabilisieren und einkommensschwache Haushalte gezielt zu entlasten. Dieser Artikel erläutert, was das Günstiger-Strom-Gesetz bedeutet, erklärt zentrale Fachbegriffe, ordnet die Reform historisch ein, vergleicht Maßnahmen mit anderen Bundesländern und Nachbarstaaten, benennt konkrete Auswirkungen für Bürgerinnen und Bürger und bietet eine fundierte Perspektive auf die nächsten Jahre. Quelle und vollständige Vorlage finden Sie in der Parlamentskorrespondenz: Parlamentskorrespondenz (Pressedienst).
Kurz zusammengefasst
- Bundesrat genehmigt Günstiger-Strom-Gesetz mit Zweidrittelmehrheit.
- Neue Regelungen enthalten Sozialtarif, Vorauszahlungszähler und Recht auf Ratenzahlung.
- Änderungen am Preisgesetz 1992 und Energie-Control-Gesetz schaffen Preisüberwachung.
- Ergänzende Beschlüsse: Verlängerung bestimmter Krisenregelungen bis Ende 2031 sowie Änderungen im Mietrecht (5. Mietrechtliche Inflationslinderungsgesetz).
Fachbegriffe verständlich erklärt
Strommarkt
Der Begriff Strommarkt bezeichnet das Zusammenspiel von Erzeugung, Handel, Transport und Verbrauch von elektrischer Energie. Auf dem Strommarkt treffen Produzentinnen und Produzenten von Energie, Händler, Netzbetreiberinnen und Netzbetreiber sowie Endkundinnen und Endkunden aufeinander. Er umfasst sowohl den physischen Betrieb der Netze als auch den Handel mit Stromprodukten. Für Laien bedeutet das: Wenn Kraftwerke oder Windparks Strom erzeugen, wird dieser in einem Markt gehandelt und über das Netz zu Haushalten und Betrieben geleitet. Regulierung und Marktmechanismen bestimmen dabei Preise, Versorgungssicherheit und Investitionsanreize. Das Günstiger-Strom-Gesetz zielt darauf, das Zusammenspiel dieser Akteurinnen und Akteure zu strukturieren und Preisbildung sowie Netzstabilität neu zu regeln.
Sozialtarif
Ein Sozialtarif ist ein vergünstigter Strompreis für Haushalte mit geringem Einkommen oder für besonders schutzwürdige Personen und Personengruppen. Ziel ist es, Energiearmut zu verhindern und sicherzustellen, dass Grundversorgung leistbar bleibt. Praktisch bedeutet das: Berechtigte Kundinnen und Kunden zahlen einen niedrigeren Grundpreis oder einen reduzierten Arbeitspreis für einen definierten Basisverbrauch. Die Einführung eines Sozialtarifs im Rahmen des Günstiger-Strom-Gesetzes soll konkrete Entlastung bringen, beispielsweise für Haushalte mit niedrigen Renten, Arbeitslosengeld oder Mindestpensionen. Die genaue Ausgestaltung, Anspruchskriterien und Finanzierung bleiben Aufgabe der Umsetzung und der weiteren Verordnungen.
Preisüberwachung
Als Preisüberwachung wird die staatliche Kontrolle von Preisen in bestimmten Märkten bezeichnet, um Missbrauch und überhöhte Preise zu verhindern. Bei Energiepreisen kann das Instrumentarium reichen von Meldepflichten für Anbieter bis zu Prüfungen von Preisbildung und Marktstrukturen. Im Rohtext der Parlamentsvorlage wird durch Änderungen des Preisgesetzes 1992 und des Energie-Control-Gesetzes ein neuer Mechanismus zur Überwachung von Energiepreisen geschaffen. Für Verbraucherinnen und Verbraucher soll das bedeuten, dass überhöhte Margen und marktbeherrschende Praktiken besser erkannt und sanktioniert werden können. Preisüberwachung ist kein Ersatz für Wettbewerb, sondern ein ergänzendes Kontrollinstrument.
Merit-Order-System
Das Merit-Order-System ist ein Marktprinzip zur Reihenfolge, in der Kraftwerke in einem Markt zur Deckung der Nachfrage eingesetzt werden. Niedrigere variable Kosten – häufig Erneuerbare oder effiziente Gaskraftwerke – kommen zuerst zum Zug, teurere Anlagen später. Der Preis wird dabei durch das zuletzt eingesetzte Kraftwerk bestimmt. Kritikerinnen und Kritiker führen an, dass dieses System in Zeiten hoher Gaspreise zu hohen Strompreisen führen kann. Befürworter betonen die Effizienz und die marktwirtschaftliche Allokation. Diskussionen um das Merit-Order-System sind zentral für die Debatte, wie das Günstiger-Strom-Gesetz längerfristig die Preisbildung beeinflussen könnte.
Klimaneutralität bis 2040
Die gesetzliche Verankerung von Klimaneutralität bis 2040 bedeutet, dass die Netto-Treibhausgasemissionen auf null reduziert werden sollen oder durch Ausgleichsmaßnahmen kompensiert werden. Für den Energiesektor heißt das ein hoher Ausbau von erneuerbaren Energien, effizientere Netze und möglicherweise veränderte Investitionsentscheidungen. Im Diskurs zur Reform wird angeführt, dass dieses Ziel die Netzkosten verändern kann – etwa durch zusätzliche Investitionen in Speicher oder Netzausbau. Die konkrete Auswirkung hängt von Technologiepfaden, Fördermechanismen und internationalen Rahmenbedingungen ab, die in den nächsten Jahren gestaltet werden müssen.
Historische Einordnung: Entwicklung des Strommarkts in Österreich
Der österreichische Strommarkt hat in den letzten Jahrzehnten mehrere Entwicklungsphasen durchlaufen. Zunächst dominierten staatliche oder halbstaatliche Versorgungsunternehmen mit regionalem Charakter. Mit der Liberalisierung und EU-inspirierten Marktöffnungen wandelte sich die Struktur hin zu einem wettbewerblichen Markt mit mehreren Anbietern und einem stärker integrierten europäischen Handel. Technologischer Fortschritt – insbesondere Wind-, Solar- und Speichertechnik – sowie veränderte klimapolitische Ziele führten zu einem zunehmenden Anteil erneuerbarer Energien. Gleichzeitig verursachten volatile Rohstoffpreise und geopolitische Ereignisse Preisschocks, die Regulierungsinstitutionen vor Herausforderungen stellten. Das Günstiger-Strom-Gesetz ist vor diesem Hintergrund zu sehen: Es tritt in eine Phase, in der Versorgungssicherheit, Systemintegration erneuerbarer Energien und sozialpolitische Absicherung gleichermaßen gefragt sind. Die Gesetzesinitiative stellt den Versuch dar, ältere Regulierungsinstrumente (wie das Preisgesetz 1992) an neue Marktrealitäten anzupassen und zugleich sozialen Schutz zu implementieren.
Vergleich: Andere Bundesländer und Nachbarstaaten
Innerhalb Österreichs variieren die Energieprofile der Bundesländer: Während Burgenland und Teile der Steiermark stark auf Wind- und Biomasse setzen, dominieren in Tirol und Vorarlberg Wasserkraft und in Niederösterreich eine Mischung aus Solar und konventioneller Erzeugung. Die Umsetzung des Günstiger-Strom-Gesetzes muss daher regional unterschiedlich wirken, etwa durch Netzausbau, lokale Fördermaßnahmen oder angepasste Sozialtarife. Im Vergleich mit Deutschland ist festzustellen, dass Deutschland bereits umfangreiche Mechanismen zur Netzregulierung und Preisprüfung kennt, allerdings auch mit komplexen Strommarktmechanismen und Umlagen arbeitet. Die Schweiz verfolgt einen starken Versorgungsfokus mit hohem Anteil Wasserkraft und eigenem Marktregime. Österreichs Ansatz, Klimaneutralität gesetzlich zu verankern und gleichzeitig Sozialtarife einzuführen, zeigt Ähnlichkeiten mit sozial ausgerichteten Instrumenten in einzelnen europäischen Ländern, unterscheidet sich aber durch die konkrete Balance zwischen Marktmechanismen und staatlicher Preisüberwachung.
Bürger-Impact: Konkrete Auswirkungen und Beispiele
Für Haushalte bedeutet das Günstiger-Strom-Gesetz konkret: eine Chance auf direkte Entlastung durch den Sozialtarif; verbesserte Rechte, etwa beim Recht auf Ratenzahlung; und eine klarere Regulierung, die höhere Transparenz über Preisbestandteile anstrebt. Beispiel 1: Eine Einpersonenhaushalt mit geringem Einkommen könnte künftig einen reduzierten Basispreis für einen definierten monatlichen Verbrauch erhalten. Beispiel 2: Kundinnen und Kunden, die in eine Zahlungsschwierigkeit geraten, hätten einen rechtlich abgesicherten Anspruch auf Ratenzahlung statt sofortiger Abschaltung, sofern die Voraussetzungen erfüllt sind. Für Mieterinnen und Mieter in Städten mit hohen Wohnkosten bedeutet das in Kombination mit dem 5. Mietrechtlichen Inflationslinderungsgesetz eine mögliche doppelte Entlastung: weniger Preisschocks bei Strom und mehr Rechtssicherheit bei Mietanpassungen. Wichtig ist, dass konkrete Anspruchsregeln, Identifikationsverfahren und Informationspflichten in der Umsetzung klar definiert werden, damit Betroffene schnell und unbürokratisch profitieren können.
Zahlen, Fakten und qualitative Analyse
Die Parlamentsvorlage enthält mehrere präzise rechtliche Änderungen: die notwendige Zweidrittelmehrheit zur Verfassungsrelevanz, die Verlängerung bestimmter Krisenbestimmungen bis Ende 2031 und die Befristung der Notifizierungsbefugnis bis 30. Juni 2026. Diese zeitlichen Vorgaben zeigen eine abgestufte Umsetzung: Kurzfristige Übergangsregelungen werden durch mittelfristige Strukturmaßnahmen ersetzt. Konkrete Preisprognosen sind in der Vorlage nicht enthalten; daher lässt sich aus dem Gesetzestext keine unmittelbare Vorhersage über die Höhe künftiger Strompreise ableiten. Die Schaffung einer Preisüberwachung signalisiert jedoch, dass das Gesetz Impulse gegen marktbeherrschende Praktiken setzen will, was mittel- bis langfristig den Wettbewerb stärken könnte. Die Aufnahme eines Sozialtarifs und die Rechte zur Ratenzahlung sind qualitative Fakten mit direkter sozialpolitischer Wirkung; die tatsächliche Reichweite hängt von Begleitmaßnahmen und Finanzierungsmodellen ab.
Zukunftsperspektive: Prognosen und offene Fragen
Die nächsten Jahre werden zeigen, wie wirksam das Günstiger-Strom-Gesetz die Balance zwischen Klimazielen, Netzstabilität und sozialer Absicherung herstellt. Prognostisch ist zu erwarten, dass der Ausbau erneuerbarer Energien fortgesetzt wird und dass Investitionen in Netzinfrastruktur und intelligente Zähler nötig sind, um die gesetzlich verankerte Klimaneutralität bis 2040 zu erreichen. Wichtige offene Fragen sind: Wie werden Sozialtarif und Anspruchsprüfung organisiert? Welche Rolle spielt die neue Preisüberwachung im Zusammenspiel mit europäischer Energiepolitik? Und inwieweit gelingt es, die Merkmale des Merit-Order-Systems zu reformieren, ohne die Marktintegrität zu gefährden? Wenn Umsetzung und Begleitregulierung effizient gestaltet werden, kann das Gesetz zu mehr Planbarkeit für Verbraucherinnen und Verbraucher sowie Investitionssicherheit für Erzeugerinnen und Erzeuger führen. Gelingt dies nicht, drohen weiterhin lokale Engpässe und Unklarheiten bei der Entlastung vulnerable Haushalte.
Schluss: Was jetzt zu tun ist
Das Beschlussdatum 2025-12-17 markiert den Startpunkt für konkrete Umsetzungsmaßnahmen. Betroffene sollten sich informieren: Prüfen Sie mögliche Anspruchsberechtigungen für Sozialtarife, behalten Sie Abrechnungen im Blick und nutzen Sie Informationsangebote des Bundesministeriums sowie die Parlamentsmediathek mit Livestreams und Video-on-Demand. Weitere Details zum Gesetz und die vollständigen Texte finden Sie hier: Parlamentskorrespondenz – vollständige Aussendung. Wie soll Österreich die Balance zwischen günstigen Preisen, Klimazielen und fairer Lastenverteilung erreichen? Diskutieren Sie mit Ihren lokalen Abgeordneten und in der Gemeinde – die Umsetzung entscheidet über die konkrete Wirkung für jede und jeden Einzelnen.






