BVergG-Novelle 2026: Kammer warnt vor Intransparenz

Redaktion

Österreich diskutiert die Novelle des Bundesvergabegesetzes: Am 13. November 2025 warnt die Kammer der Ziviltechniker vor Intransparenz, obwohl ökologische Ziele gestärkt werden. Der Begutachtungsentwurf liegt vor, und viele Gemeinden, Länder und Bundesstellen fragen sich, wie sich die Regeln für die öffentliche Beschaffung konkret verändern werden. Was als Modernisierung angekündigt ist, könnte für Bau- und Planungsprojekte neue Chancen, aber auch Risiken bringen – mit spürbaren Folgen für Bürgerinnen und Bürger.

BVergG-Novelle 2026: Transparenz versus ökologische Zielsetzungen

Die österreichische Bundesregierung plant für März 2026 ein Inkrafttreten der Novelle zum Bundesvergabegesetz (BVergG). Der Entwurf wurde Mitte Oktober vom Bundesministerium für Justiz veröffentlicht und befindet sich seitdem im vorparlamentarischen Begutachtungsverfahren. Die Kammer der Ziviltechnikerinnen und Ziviltechniker für Wien, Niederösterreich und Burgenland begrüßt, dass ökologische und nachhaltige Kriterien im Vergaberecht stärker verankert werden sollen. Dazu zählt insbesondere die Berücksichtigung von Lebenszykluskosten und die Reduzierung der Flächeninanspruchnahme. Gleichzeitig äußert die Standesvertretung erhebliche Bedenken: Bestimmte Bestimmungen könnten den Wettbewerb schwächen und die Transparenz mindern – vor allem durch höhere Schwellenwerte im Baubereich und potenziell häufigere Direktvergaben.

Die Kernkritik der Kammer ist klar: Wenn Schwellenwerte für Bauleistungen deutlich steigen, während sie für Dienst- und Lieferleistungen – und damit auch für Planungsleistungen – im Wesentlichen unverändert bleiben, droht eine weitere Ungleichbehandlung. Planungsleistungen müssten weiterhin bei kleineren Vorhaben häufig europaweit ausgeschrieben werden, während das Errichten desselben Gebäudes national verbleiben kann. Daraus könnte sich ein Trend zu Totalunternehmermodellen ergeben, in denen Planen und Bauen aus einer Hand vergeben werden. Die Kammer bewertet solche Modelle besonders kritisch, weil sie aus ihrer Sicht Transparenz, Nachvollziehbarkeit und Qualitätssicherung erschweren.

Für die Leserinnen und Leser in Österreich ist die Relevanz unmittelbar: Ob Kindergarten, Gemeindeamt, Straße oder Wohnbau – öffentliche Aufträge prägen das Lebensumfeld. Eine faire, transparente Vergabe entscheidet mit über Qualität, Kosten und Zeitplan. Die Debatte ist daher nicht nur juristisch, sondern ganz praktisch: Wie werden Steuergelder eingesetzt? Welche Anbieterinnen und Anbieter erhalten Zugang zu Verfahren? Und wie lässt sich Nachhaltigkeit mit einem lebendigen Wettbewerb vereinen?

Was jetzt wichtig ist – die Eckpunkte im Überblick

  • Begutachtungsentwurf vom Bundesministerium für Justiz seit Mitte Oktober öffentlich.
  • Geplantes Inkrafttreten der BVergG-Novelle im März 2026.
  • Stärkere Gewichtung ökologischer Kriterien (Lebenszykluskosten, Flächeninanspruchnahme).
  • Deutliche Erhöhung der Schwellenwerte für Bauleistungen, unveränderte Schwellenwerte für Planungs- und andere Dienstleistungen.
  • Häufigere Direktvergaben als mögliche Folge – mit Risiken für Transparenz und Qualität.

Quelle der Positionen der Kammer: OTS-Aussendung der Kammer der Ziviltechnikerinnen und Ziviltechniker Wien, Niederösterreich und Burgenland.

Fachbegriffe verständlich erklärt

Schwellenwerte im Vergaberecht

Schwellenwerte sind Betragsgrenzen, die bestimmen, nach welchen Regeln öffentliche Aufträge vergeben werden müssen. Liegt der voraussichtliche Auftragswert über einem Schwellenwert, gelten strengere, formalere Verfahren – etwa eine europaweite Ausschreibung, die den Markt breit öffnet. Unterhalb der Schwellen kann ein Auftrag meist einfacher vergeben werden, häufig in nationalen oder vereinfachten Verfahren. Die Idee dahinter ist, Aufwand und Nutzen in ein vernünftiges Verhältnis zu setzen: Kleine Aufträge sollen nicht durch übermäßige Bürokratie blockiert werden, große Vorhaben müssen aber für möglichst viele Anbieterinnen und Anbieter zugänglich und transparent sein. Werden Schwellenwerte angehoben, rutschen mehr Aufträge in den vereinfachten Bereich – das spart Zeit, kann aber Wettbewerb und Nachvollziehbarkeit reduzieren. Umgekehrt erhöhen niedrigere Schwellenwerte den Formalisierungsgrad, was die Transparenz steigern, aber Verfahren verlängern kann.

Direktvergabe

Unter Direktvergabe versteht man die Vergabe eines öffentlichen Auftrags ohne formelles Ausschreibungsverfahren an einen einzelnen Anbieter oder eine einzelne Anbieterin. Sie ist in engen Grenzen zulässig, typischerweise für kleinere Auftragsvolumina oder besondere Situationen. Der Vorteil liegt in der Geschwindigkeit: Behörden können rasch beauftragen, etwa für dringende Reparaturen oder klar umrissene Leistungen. Der Nachteil: Der Wettbewerb ist eingeschränkt, es gibt meist keine offenen Angebote mehrerer Unternehmen. Dadurch steigt das Risiko, dass der Preis allein entscheidet, Qualitätskriterien zu kurz kommen und mögliche Alternativen gar nicht geprüft werden. Wenn Schwellenwerte steigen, wird die Direktvergabe öfter anwendbar – eine Entwicklung, die Befürworter mit Effizienz begründen und Kritiker mit dem Verlust an Transparenz und Vergleichbarkeit in Verbindung bringen.

Totalunternehmermodell

Beim Totalunternehmermodell übernimmt ein Unternehmen sowohl die Planung als auch die Ausführung eines Bauprojekts. Der Auftraggeber hat nur einen Vertragspartner. Befürworter sehen Vorteile in der Bündelung von Verantwortung, potenzieller Zeitersparnis und vereinfachten Schnittstellen. Kritiker – wie die Kammer der Ziviltechnikerinnen und Ziviltechniker – verweisen auf die Trennung von Planung und Ausführung als Grundprinzip: Wenn unabhängige Planung und bauliche Umsetzung getrennt sind, lassen sich Qualität, Kosten und Risiken besser kontrollieren. Die Erfahrung einzelner Projekte zeigt, dass die Bündelung zu Informationsasymmetrien führen kann: Der Auftraggeber erhält weniger unabhängige Kontrolle, Varianten werden seltener objektiv geprüft, und Änderungen während der Ausführung können teurer werden. Besonders bei komplexen Bauaufgaben kann ein transparentes, mehrstufiges Verfahren mit separater Vergabe der Planungsleistungen die Qualität absichern.

Lebenszykluskosten

Lebenszykluskosten sind die Gesamtkosten eines Projekts, Produkts oder Bauwerks über die gesamte Nutzungsdauer. Dazu zählen nicht nur die Anschaffungskosten, sondern auch Betrieb, Energie, Wartung, Instandsetzung und Rückbau. Wer diese Kosten früh in der Vergabe berücksichtigt, trifft nachhaltigere Entscheidungen: Ein scheinbar günstiges Angebot kann sich über die Jahre als teuer erweisen, wenn der Energieverbrauch hoch ist oder Wartungen sehr kostspielig sind. Umgekehrt kann eine etwas höhere Anfangsinvestition sinnvoll sein, wenn langlebige Materialien, effiziente Technik und gute Planung den Aufwand im Betrieb reduzieren. In der öffentlichen Beschaffung unterstützen Lebenszykluskosten die Zielsetzung, mit Steuergeld langfristig wirtschaftlich zu handeln – nicht nur kurzfristig den niedrigsten Preis zu wählen.

Flächeninanspruchnahme

Flächeninanspruchnahme beschreibt, wie viel Boden ein Projekt dauerhaft oder temporär benötigt und versiegelt. In der Vergabe gewinnt dieser Aspekt an Bedeutung, weil Boden in Österreich eine endliche Ressource ist und Versiegelung ökologische Folgekosten verursacht: Regenwasser kann schlechter versickern, Hitzeinseln entstehen, Biodiversität geht zurück. Wird die Flächeninanspruchnahme als Kriterium im Vergabeverfahren berücksichtigt, fördert das kompakte, ressourcenschonende Lösungen – zum Beispiel Aufstockungen statt Neubauten auf der grünen Wiese, multifunktionale Nutzung vorhandener Gebäude und kluge Freiraumgestaltung. Das Ziel: weniger Bodenverbrauch, mehr Qualität im Bestand und eine bessere Klimabilanz öffentlicher Vorhaben.

Vorparlamentarisches Begutachtungsverfahren

Das vorparlamentarische Begutachtungsverfahren ist die Phase, in der ein Gesetzesentwurf öffentlich gemacht wird und betroffene Kreise – von Interessensvertretungen über Fachorganisationen bis zu Bürgerinnen und Bürgern – Stellungnahmen abgeben können. Diese Rückmeldungen sollen dem Gesetzgeber helfen, Praxiserfahrungen, Risiken und Verbesserungsvorschläge zu berücksichtigen, bevor der Entwurf ins Parlament eingebracht wird. Begutachtungen sind besonders bei komplexen Materien wie dem Vergaberecht wichtig, weil unterschiedliche Sichtweisen zusammenfließen: Auftraggeber, Planende, Ausführende, Juristinnen und Juristen sowie Zivilgesellschaft. Ein fundiertes Begutachtungsverfahren erhöht die Chance, dass am Ende ein ausgewogenes, verständliches und praxistaugliches Gesetz entsteht.

Historischer Kontext: Warum das Vergaberecht so sensibel ist

Öffentliche Vergaberegeln sind kein Selbstzweck. Sie schützen Wettbewerb, Transparenz und die sachgerechte Verwendung von Steuermitteln. Historisch wurde das österreichische Vergaberecht immer dann angepasst, wenn Praxis, Markt und europäische Vorgaben es erforderten. Ein wiederkehrendes Spannungsfeld zieht sich durch diese Entwicklung: Wie viel Formalisierung braucht es, um fairen Wettbewerb zu gewährleisten – und wie viel Flexibilität, damit Auftraggeber handlungsfähig bleiben? Im Bauwesen ist dieses Spannungsfeld besonders ausgeprägt, weil Projekte groß, individuell und risikobehaftet sind. Gleichzeitig wirken Vergaben weit in regionale Wertschöpfung, Beschäftigung und Baukultur hinein.

Mit jeder Novelle steht daher die Balance auf dem Prüfstand. Eine Anhebung von Schwellenwerten kann Verfahren beschleunigen und Ressourcen in Verwaltungen schonen. Sie kann aber auch dazu führen, dass Ausschreibungen weniger breit bekannt werden und Markteinsteigerinnen und Markteinsteiger schwerer zu Aufträgen kommen. Umgekehrt sorgt eine stärkere Formalisierung für offene Wettbewerbssituationen, die Preise, Innovation und Qualität treiben – allerdings mit höherem administrativem Aufwand. Die aktuelle Novelle greift zudem ökologische Zielsetzungen auf. Das ist zukunftsweisend, weil die Klimaziele, der Umgang mit Boden und Energie sowie die Folgekosten des Betriebs längst zu den zentralen Themen der öffentlichen Hand zählen. Genau in diesem Kreuzungspunkt aus Nachhaltigkeit und fairer Marktöffnung positioniert sich nun die Debatte, die die Kammer angestoßen hat.

Vergleiche: Bundesländer, Deutschland, Schweiz

Innerhalb Österreichs gilt das Bundesvergabegesetz als Rahmen – für den Bund, die Länder, viele Gemeinden und ausgegliederte Einrichtungen. Unterschiede zeigen sich weniger in den Grundsätzen als in der Verwaltungspraxis: Manche Gebietskörperschaften setzen auf Standardleitfäden, Checklisten und zentrale Servicestellen; andere arbeiten dezentral. Wenn die Schwellenwerte steigen sollten, werden diese organisatorischen Unterschiede stärker spürbar. Verwaltungen mit gut etablierten Qualitätssicherungen bei vereinfachten Verfahren können Transparenz auch unterhalb hoher Schwellen sichern. Dort, wo solche Instrumente fehlen, steigt das Risiko, dass hauptsächlich der Preis entscheidet und qualitative Kriterien unzureglich berücksichtigt werden.

Ein Blick nach Deutschland zeigt ähnliche Diskussionen: Auch dort stehen Nachhaltigkeit, Lebenszykluskosten und Entbürokratisierung im Fokus öffentlicher Beschaffung. Strengere Transparenzanforderungen und standardisierte Verfahren sollen faire Marktchancen gewährleisten. Gleichzeitig wird immer wieder debattiert, wie kleinere Kommunen mit den Anforderungen zurechtkommen und ob vereinfachte Verfahren zu häufig eingesetzt werden. Die Kernfragen ähneln sich: Wie offen ist der Markt, wie gut sind Qualität und Nachvollziehbarkeit, wie handhabbar ist die Praxis?

In der Schweiz – die nicht Mitglied der EU ist – verfolgt das Beschaffungsrecht ebenfalls die Ziele von Transparenz, Gleichbehandlung und Wirtschaftlichkeit. Auch dort hat die stärkere Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien an Bedeutung gewonnen. Ein zentrales Motiv ist, dass die öffentliche Hand als Vorbild fungieren soll: Wer mit Steuergeld einkauft, setzt Standards. Überall – in Österreich, Deutschland und der Schweiz – bleibt die bekannte Gratwanderung: Vereinfachung ja, aber nicht auf Kosten eines fairen Wettbewerbs und der Kontrolle über Qualität und Folgekosten. Die aktuelle österreichische Debatte reiht sich damit in eine internationale Entwicklung ein, in der ökologische Modernisierung und marktöffnende Vergabe gleichermaßen Gewicht haben müssen.

Bürger-Impact: Was bedeutet die Novelle im Alltag?

Was abstrakt nach Paragrafen klingt, betrifft das tägliche Leben. Nehmen wir ein hypothetisches Beispiel: Eine Gemeinde plant einen neuen Kindergarten. Wird die Planungsleistung getrennt ausgeschrieben, können mehrere Büros ihre Konzepte, Referenzen und Qualitätsansätze darlegen. Kriterien wie pädagogische Raumqualität, Energieeffizienz und Lebenszykluskosten lassen sich sauber vergleichen. Entscheidet sich die Gemeinde hingegen für ein Totalunternehmermodell ohne separate Planungsvergaben, verschmelzen Planung und Bau in einem Angebot. Das kann schneller wirken, birgt aber die Gefahr, dass gestalterische, pädagogische und ökologische Qualitäten weniger transparent gegeneinander abgewogen werden. Der Vergleich verschiedener Planungsansätze entfällt – und damit ein wichtiger Motor für Qualität.

Ein zweites Szenario: Eine Landesstraße soll erneuert werden. Wenn erhöhte Schwellenwerte dazu führen, dass mehr Direktvergaben stattfinden, könnten wenige Anbieter direkt beauftragt werden. Das spart Zeit, doch der Wettbewerb wird enger. Für regionale, kleine und mittlere Unternehmen kann das bedeuten, seltener von Verfahren zu erfahren und schwieriger mitzuhalten. Gleichzeitig droht ein stärkerer Fokus auf den niedrigsten Preis. Kurzfristig klingt das gut, aber bei schlechterer Qualität können Nachträge und Sanierungen teurer werden. Nachhaltige Materialien, bessere Bauabläufe oder innovative Lösungen geraten in solchen Setups schneller ins Hintertreffen, wenn sie nicht ausdrücklich als Bewertungsmerkmale verankert sind.

Drittes Beispiel: Ein Spitalsumbau. Bei besonders komplexen Vorhaben entfaltet die Trennung von Planung und Ausführung ihre Stärken. Unabhängige Planung kann Varianten prüfen, Bauphasen auf laufenden Betrieb abstimmen, Risiken früh identifizieren und klare Leistungsbilder formulieren. Werden solche Leistungen in großen Paketen mit der Ausführung mitvergeben, fällt die neutrale Kontrollinstanz weg. Die Kammer der Ziviltechnikerinnen und Ziviltechniker betont genau diesen Punkt: Für Qualität, Nachvollziehbarkeit und öffentliche Akzeptanz ist die transparente, getrennte Vergabe ein bewährter Weg.

Zahlen und Fakten aus dem Entwurf und der Stellungnahme

Die aktuell bekannten Eckpunkte basieren auf dem Begutachtungsentwurf und der Stellungnahme der Kammer (siehe Quelle):

  • Geplantes Inkrafttreten: März 2026.
  • Ökologische Aufwertung: stärkere Gewichtung von Lebenszykluskosten und Flächeninanspruchnahme.
  • Schwellenwerte: deutliche Erhöhung für Bauleistungen, im Wesentlichen unverändert für Dienst- und Lieferleistungen inklusive Planungsleistungen.
  • Direktvergabe: Häufigere Anwendung zu erwarten, da Paragraf 44 Abs. 3 bei erhöhten Schwellenwerten an Relevanz verliert.
  • Marktauswirkungen: Risiko eines stärkeren Preiswettbewerbs zulasten qualitativer Kriterien – insbesondere bei komplexen geistigen Dienstleistungen wie Planung und Beratung.
  • Trend zum Totalunternehmermodell: laut Kammer zu befürchten; Kritik wegen wegfallender Trennung von Planen und Bauen.

Die Stellungnahme der Kammer – in Abstimmung mit der Bundeskammer – appelliert, die Schwellenwertanhebungen zu überdenken und grundsätzlich von einer generellen Anhebung abzusehen. Sie argumentiert, nur transparente, wettbewerbsorientierte Vergaben garantierten, dass öffentliche Mittel wirtschaftlich sinnvoll eingesetzt werden und das Vertrauen in staatliches Handeln gestärkt werde.

Hintergründe und Zusammenhänge: Warum die Details entscheidend sind

Die Debatte berührt mehrere Policy-Ziele gleichzeitig: Klimaschutz, effiziente Verwaltung, fairer Wettbewerb, Baukultur und Korruptionsprävention. Werden ökologische Kriterien klug implementiert, können sie zu echten Marktreizen werden: Unternehmen investieren in langlebige Produkte, innovative Planungsleistungen und emissionsarme Bauabläufe. Gleichzeitig muss die Verfahrenstransparenz so gestaltet sein, dass diese Qualität auch sichtbar wird. Wenn Vergaben seltener offen ausgeschrieben werden, sinkt die Vergleichbarkeit von Konzepten und die Lernkurve für öffentliche Auftraggeber – die Vielfalt der Angebote liefert nämlich Hinweise, wie Anforderungen marktgerecht formuliert werden können.

Besonders sensibel ist die Situation in kleineren Gemeinden. Sie profitieren von pragmatischen Verfahren und kurzen Entscheidungswegen; zugleich sind sie auf Markttransparenz angewiesen, um Qualität einzukaufen. Leitfäden, Schulungen und digitale Vergabeplattformen können helfen, auch unterhalb von Schwellenwerten faire, nachvollziehbare und qualitätsorientierte Entscheidungen zu treffen. Das gilt umso mehr, wenn die öffentliche Hand ökologische Kriterien ernsthaft gewichten will: Lebenszykluskosten müssen methodisch erhoben und plausibilisiert werden, Flächeninanspruchnahme braucht nachvollziehbare Bewertungsmaßstäbe. Diese Anforderungen sind erfüllbar, setzen jedoch Kompetenzen und Ressourcen voraus.

Expertenposition aus der Kammer

Der Präsident der Kammer der Ziviltechnikerinnen und Ziviltechniker für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Bernhard Sommer, verweist laut Quelle darauf, dass die ungleichen Anpassungen bei nationalen Schwellenwerten bestehende Unterschiede zwischen Planungs- und Bauleistungen verschärfen könnten. In der Praxis, so seine Befürchtung, führe dies dazu, dass Planungsleistungen nicht mehr separat, sondern im Rahmen von Totalunternehmerverfahren vergeben würden – auch bei kleineren Projekten. Das, so die Kammer, mindere die Zahl der Bewerbungen, erhöhe die Intransparenz und gefährde die Qualitätssicherung. Ferner betont die Kammer, dass vermehrte Direktvergaben den Wettbewerb auf den Preis verengen und qualitative Kriterien gerade bei komplexen geistigen Dienstleistungen verwässern könnten.

Zukunftsperspektive: Wie die BVergG-Novelle wirken kann

Die Novelle kann zu einem Modernisierungsschub werden, wenn ökologische Kriterien klar, nachvollziehbar und praxisnah verankert werden. Dazu gehören verständliche Leitfäden für Lebenszykluskosten, praxistaugliche Bewertungsmatrizen und die Verpflichtung, qualitative Kriterien angemessen zu gewichten. Parallel braucht es Sicherungen gegen Intransparenzrisiken. Wenn Schwellenwerte angehoben werden, sollten Auftraggeber systematisch dokumentieren, warum welches Verfahren gewählt wurde, wie Qualitätskriterien angewandt und wie Angebote verglichen wurden. Standardisierte Checklisten, anonyme Evaluationsberichte und unabhängige Plausibilitätsprüfungen könnten helfen, Vertrauen zu schaffen.

Für Planungsleistungen könnte die Novelle bewusst die Trennung von Planen und Bauen stärken – etwa durch klare Empfehlungen für die separate Vergabe komplexer geistiger Dienstleistungen. Damit würden Know-how, Innovationsfähigkeit und Konkurrenz um die beste Lösung erhalten bleiben. Gleichzeitig bleibt der Wunsch nach schlanken Verfahren berechtigt: Digitale Tools, Musterleistungsbilder und modulare Vergabebausteine können Prozesse beschleunigen, ohne den Wettbewerb auszuhöhlen. Entscheidend wird sein, was der Gesetzgeber aus dem Begutachtungsverfahren mitnimmt: Die Hinweise der Kammer adressieren reale Zielkonflikte. Lässt sich die ökologische Aufwertung mit hoher Transparenz und fairer Marktöffnung verbinden, hat die Novelle das Potenzial, die öffentliche Beschaffung in Österreich zukunftsfähig aufzustellen.

Weiterführende Informationen und interne Verlinkungen

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Offizielle Informationen: Bundesministerium für Justiz sowie die OTS-Aussendung der Kammer.

Fazit: Chancen nutzen, Risiken entschärfen

Die Novelle des Bundesvergabegesetzes verspricht eine stärkere Verankerung ökologischer Ziele – ein richtiger Schritt im Sinne nachhaltiger Beschaffung. Gleichzeitig zeigen die Einwände der Kammer der Ziviltechnikerinnen und Ziviltechniker die heikle Balance: Höhere Schwellenwerte für Bauleistungen bei gleichbleibenden Schwellen für Planungsleistungen könnten die getrennte Vergabe schwächen, Direktvergaben fördern und den Trend zu Totalunternehmermodellen verstärken. Das birgt Risiken für Transparenz, Vielfalt und Qualität.

Damit die Reform in Österreich als Modernisierung wahrgenommen wird, braucht es klare Leitplanken: nachvollziehbare Bewertungsmaßstäbe, konsequente Dokumentation, solide Qualitätssicherung – und dort, wo es sinnvoll ist, die bewusste Trennung von Planung und Ausführung. Für Bürgerinnen und Bürger zählt am Ende das Ergebnis: nutzerfreundliche, langlebige, effiziente Gebäude und Infrastrukturen, die mit Steuergeld verantwortungsvoll finanziert sind.

Wir werden die weitere Entwicklung aufmerksam begleiten. Wie sollte die Balance aus Transparenz, Wettbewerb und Nachhaltigkeit aus Ihrer Sicht aussehen? Schreiben Sie uns Ihre Meinung und verfolgen Sie die Updates zum Begutachtungsverfahren. Weiterführende Informationen finden Sie beim BMJ sowie in der Stellungnahme der Kammer.