Waldwissenschaft warnt vor Humpty-Dumpty-Effekt!

Wien (OTS) – Neuer Wissenschaftsbericht des in Wien ansässigen
internationalen
Waldforschungsverbands IUFRO: „Forests as Pillars of Social and
Economic Resilience“

Link zum Bericht, zum Policy Brief sowie zu
Hintergrundinformationen und Fotos: https://bit.ly/IUFRO_Resilience-
Report_Daten_Bilder

Siehe Veranstaltungshinweis unten zur heutigen Online-
Präsentation des Berichts (14:00 Uhr)!

– Erstmals beleuchtet ein umfassender wissenschaftlicher Report die
Rolle der Wälder für die Resilienz (= „Krisenfestigkeit“) von
Gesellschaft und Wirtschaft in globaler Perspektive.

– Die Studie zeigt, dass Gesellschaft und Wirtschaft zum einen auf
äußerst komplexe Weise von Wäldern abhängen , egal, wie weit diese
entfernt sind. Zum anderen belegt sie, dass politische Entscheidungen
derart eng verwobene Systeme ins Wanken bringen können.

– Eine Fortführung des weltweiten „ business as usual “ ist zum
Scheitern verurteilt. Allen, die die Grundlagen für
gesellschaftliches Wohlergehen und wirtschaftliche Prosperität
sichern wollen, empfiehlt die Wissenschaft: „Setzen Sie verstärkt auf
proaktive und langfristig angelegte Bottom-Up-Ansätze statt auf
kurzfristiges ökonomisches Gewinnstreben!“

Ein globaler Wissenschaftsbericht über die „ Rolle der Wälder als
Säulen wirtschaftlicher und sozialer Resilienz “ – so dessen
deutscher Titel – macht deutlich: Ein rasches Streben nach
Wirtschaftswachstum in Verbindung mit einem fehlenden Verständnis,
wie Wälder Resilienz bewahren können, führt früher oder später zum
irreversiblen Kollaps . Die Wissenschaft spricht hier vom „ Humpty-
Dumpty-Effekt “.

Die Forschung zeigt, dass Wälder an den Rand des Kollapses
gedrängt werden, was eine Destabilisierung sozialer und ökonomischer
Systeme auf der ganzen Welt zur Folge haben kann. Kollabieren die
Wälder, so ergeht es ihnen wie dem zerbrechlichen Humpty Dumpty im
englischen Kinderreim, in dem es heißt: „Nicht zehn Pferde, nicht
hundert Mannen, kriegten den Armen wieder zusammen.“

Der Bericht , den IUFRO (International Union of Forest Research
Organizations) am Weltumwelttag (5. Juni) im Rahmen eines Online-
Roundtable-Gesprächs vorstellt, ist der erste seiner Ar t. Er wurde
von einem hochrangigen interdisziplinären und internationalen Team
aus insgesamt 31 Forschende n im Rahmen der von IUFRO geleiteten
Global Forest Expert Panels (GFEP) Initiative der Collaborative
Partnership on Forests (CPF) erstellt.

Die Studie erhebt zum ersten Mal, wie Wälder angesichts von
Krisen und Veränderungen zur Resilienz von Gesellschaft und
Wirtschaft beitragen und wie die Gesellschaft ihrerseits robuste und
resiliente Waldsystem fördern und erhalten kann. Die Wissenschaft
ruft die Politik dazu auf, vom „business as usual” abzugehen und
anzuerkennen, dass Wälder und unsere Gesellschaft keine voneinander
isolierten Systeme , sondern vielmehr komplexe sozial-ökologische
Netzwerke (SES) sind.

Wälder sind keineswegs immun gegen Veränderungen der
weltpolitischen Landkarte. Mit zunehmender Polarisierung verlieren
der Klimawandel und die notwendige Eindämmung seiner Auswirkungen an
Priorität. Sich verändernde Märkte und Prioritätensetzungen (z. B. im
Umwelt- und Energiesektor) beeinflussen, wie menschliche
Gesellschaften von Wäldern abhängen, wie sie diese bewirtschaften und
schützen. Gelingt es der Menschheit nicht, die Resilienz von Wäldern
zu bewahren, besteht die Gefahr , dass sie sich von den erlittenen
Schäden nicht mehr erholen können, so die Autorinnen und Autoren der
Studie.

Dr. Craig Allen , Resilienzforscher und Professor an der School
of Natural Resources der Universität Nebraska-Lincoln sowie Leiter
des Studienteams sagt: „ Der Kollaps betrifft nicht nur die Bäume,
sondern das gesamte Beziehungsgeflecht zwischen Arten, Boden, Wasser
und Menschen. Sind diese Beziehungen einmal zerstört, dann können sie
nicht einfach wieder neu ‚gepflanzt‘ werden. Wir müssen jetzt
proaktiv handeln und Resilienz auf einem Fundament aus Wissenschaft,
Verteilungsgerechtigkeit und langfristigem Denken aufbauen. “

Indigene Völker und ländliche Gemeinschaften wurden lange Zeit
als Hüter unserer Wälder gepriesen. Sie sind es, die oft
unverhältnismäßig unter den Folgen des Klimawandels leiden. Der
Forschungsbericht untermauert dies, weist aber auch darauf hin, dass
die Politik häufig die zunehmende Vernetzung unserer Welt
unterschätzt.

Dr. Nelson Grima , Koordinator des IUFRO Programmes für
Wissenschaft und Politik , argumentiert: „ Schwächen wir die
Stabilität der Wälder, dann werden wir die Folgen in allen
Weltregionen und in der Wirtschaft spüren. Der Wald geht jede und
jeden an, nicht nur diejenigen, die in Waldnähe leben. Alle Menschen
hängen vom Wald ab: Er reguliert das Klima, speichert Kohlenstoff,
federt Armut ab, sichert Nahrung und sauberes Wasser und stärkt die
Wirtschaft. Das ist keine Frage der Entfernung. ”

Der IUFRO-Bericht gibt auch Empfehlungen an die Politik , wie
durch ein besseres Verständnis der globalen Zusammenhänge die Rolle
der Wälder für die soziale und wirtschaftliche Resilienz erkannt und
verbessert werden kann. Wirtschaftlicher Wohlstand führt nicht
automatisch zur Erhöhung der Widerstandsfähigkeit sozial-ökologischer
Systeme, oft ist das Gegenteil der Fall.

Am 5. Juni , dem Weltumwelttag , fordert IUFRO alle
Entscheidungsträger*innen auf, einen neuen Zugang zu Waldthemen und
damit verbundenen Herausforderungen und Lösungen zu finden. Sie
sollten sich von reaktiven, kurzfristigen und isolierten Prozessen
der Entscheidungsfindung abwenden und vielmehr langfristige ,
proaktive und systembasierte Ansätze wählen, die den Wald als Teil
eines sozialen, ökonomischen und ökologischen Geflechts verstehen. So
lasse sich verhindern, dass Wälder und unsere Gesellschaft ein
ähnlich schlimmes Schicksal erleiden wie der fragile Humpty Dumpty.

Zwtl.: Über den Bericht

„ Forests as Pillars of Social and Economic Resilience “ (Wälder
als Säulen sozialer und wirtschaftlicher Resilienz) stellt die
Ergebnisse der neunten globalen wissenschaftlichen Studie vor, die im
Rahmen der von der IUFRO geleiteten Global Forest Expert Panels (GFEP
) Initiative der Collaborative Partnership on Forests (CPF)
durchgeführt wurde. Alle GFEP-Berichte werden von international
anerkannten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern mit
unterschiedlichem fachlichem und geografischem Hintergrund erstellt.
Die Berichte werden den Interessengruppen in den einschlägigen
internationalen Politikforen vorgelegt, um eine kohärentere Politik
zur Rolle der Wälder bei der Bewältigung der ökologischen, sozialen
und wirtschaftlichen Herausforderungen im Sine der
Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen (SDGs) zu fördern.
Weitere Informationen und Liste aller Autoren und Autorinnen: hier

Über das Science-Policy-Programm (SciPol) von IUFRO

Das Science-Policy Programme (SciPol) der IUFRO bietet einen
Mechanismus zur effektiven Mobilisierung von wissenschaftlichem
Fachwissen und Informationen, um Regierungen und zwischenstaatliche
Prozesse mit fundierten Kenntnissen für Entscheidungen auszustatten,
die Wälder, Bäume und die Landnutzung auf regionaler und globaler
Ebene betreffen. Mehr unter: IUFRO: Science-Policy Programme /
Science in IUFRO

Über IUFRO

IUFRO, die International Union of Forest Research Organizations,
ist eine weltweit tätige Nichtregierungsorganisation mit Sitz in
Wien, die sich der Zusammenarbeit in der Waldforschung und in
verwandten Wissenschaften widmet. IUFRO wurde 1892 von den
forstlichen Versuchsanstalten Deutschlands, Österreichs und der
Schweiz in Eberswalde bei Berlin gegründet und zählt mittlerweile
rund 630 Mitgliedsorganisationen wie Universitäten und
Forschungszentren in 120 Ländern und verbindet ca. 15.000 Forschende.
Mehr unter: https://www.iufro.org/

Online-Präsentation der IUFRO-Studie „Forests as Pillars of Social
and Economic Resilience“ („Wälder als Säulen sozialer und
wirtschaftlicher Resilienz“)

Online-Roundtable: „Findings from a New Global Assessment on Forests
for Social and Economic Resilience“ (in englischer Sprache)
ACHTUNG: Kostenlose Online-Registrierung hier:
https://us02web.zoom.us/meeting/register/_bKej9Y2RvmvtsWBBkj7ng#/reg
istration

Datum: 5.6.2025, um 14:00 Uhr
Ort: Online
Url: https://www.iufro.org/events/online-roundtable-findings-from-a-new-global-assessment-on-forests-for-social-and-economic-resilience