VSSTÖ boykottiert Jüdische Studierende: “Antisemitismus nicht im Griff”

Wien (OTS) – An den Verband Sozialistischer Student_innen in
Österreich (VSSTÖ),

wir, die Jüdischen österreichischen Hochschüler:innen (JöH), sind
seit 1947 die demokratisch gewählte Vertretung jüdischer Studierender
in Österreich. Als junge und starke jüdische Stimme in Österreich
mussten wir uns über die Jahrzehnte hinweg gegenüber Bedrohungen
behaupten, die den Wiederaufbau eines jüdischen Lebens nach dem
Schrecken der Shoah erschwerten. Nach dem 7. Oktober 2023 kam es zu
einem explosionsartigen Anstieg des Antisemitismus, insbesondere
dort, wo wir eigentlich auf Solidarität hofften. Diese Entwicklung
hat sich in den letzten Jahren, zu unserem Bedauern, ganz besonders
beim VSSTÖ zugetragen und mit letzter Woche einen neuen, bisher
unvorstellbaren Tiefpunkt erreicht. Wie der VSSTÖ uns nun schriftlich
mitgeteilt hat, wird er von nun an die JöH und damit die
demokratische Vertretung jüdischer Studierender in Österreich
boykottieren.

Laut Entscheidung des Verbandes werden Stand jetzt keine
Veranstaltungen der JöH mehr beworben und die Zusammenarbeit wird als
Ganzes in Frage gestellt. Dies wurde uns ausgerechnet auf die Bitte
hin mitgeteilt, die kommende Diskussionsveranstaltung der JöH mit dem
palästinensischen Friedensaktivisten Hamza Howidy an der Universität
Wien gemeinsam zu bewerben. Hamza, der aus Gaza City geflohen ist,
nachdem er dort von der Hamas mehrfach inhaftiert und gefoltert
wurde, setzt sich – wie auch die JöH – für einen differenzierten
Diskurs, Frieden und eine gerechte Zweistaatenlösung ein.

Grundlage des VSSTÖ-Boykotts ist ein antisemitisches Hassposting
der Instagram-Seite des “Intifada-Camps” am Campus der Uni Wien,
welche die JöH bereits oft als Zielscheibe für ihren Antisemitismus
gewählt hat. Im betreffenden Posting werden jüdische Studierende als
“Genozidales Monster, das unter uns wandert” bezeichnet und als
“Lobby der Zionistischen Entität” verunglimpft – beide Aussagen sind
Lehrbuchfälle des Antisemitismus.

Im Posting sind “geleakte” Screenshots von Kommentaren zweier
Personen aus einer offenen Studierenden-WhatsApp-Gruppe mit über 400
Mitgliedern zu sehen. Diese wurden von unserer JöH-Moderation
entsprechend unseren antidiskriminatorischen Werten in Echtzeit
sanktioniert bzw. gelöscht. Zudem wurden diese Inhalte von unseren
Mitgliedern im Chat klar zurückgewiesen. Ziel des Boykotts gegen
Jüdische Studierende seitens des VSSTÖ ist es, ein öffentliches
Statement der JöH gegenüber dem antisemitischen Hassposting zu
erzwingen, welches die JöH als “rassistische Organisation”
diffamiert. Dieses Statement wird es nie geben: Die JöH und ihre
FunktionärInnen haben sich verantwortungsbewusst und korrekt
verhalten, wurden jedoch umgekehrt antisemitisch diffamiert. Anders
als die Hass-Seiten, die uns antisemitisch attackieren, nehmen wir
unsere Moderationsverantwortung und unsere Werte ernst.

Es ist schwer enttäuschend, dass die Spitzenfunktionäre des VSSTÖ
dieses Hassposting gegen die JöH nicht selbstständig einordnen
konnten, weshalb wir ihnen bereits vor über einer Woche in langen
Gesprächen die Situation erklären mussten. Dass nun trotz alledem der
VSSTÖ an der Universität Wien den Boykott gegen die einzige
Vertretung jüdischer Studierender in Österreich ausgesprochen hat und
sich zum willigen Erfüllungsgehilfen einer einschlägig bekannten,
antisemitischen Gruppe macht, überschreitet jede Grenze.

Diese schockierende Entscheidung reiht sich in eine Serie von
Vorfällen rund um den VSSTÖ ein: Kurz vor der ÖH-Wahl 2025 nahm
dieselbe Vorsitzende, die uns per Nachricht den Boykott mitteilte,
gemeinsam mit weiteren VSSTÖ-FunktionärInnen an einer Demonstration
eben jener Intifada-Camp-Gruppe teil, die wiederholt Hasspostings
gegen die JöH verbreitete. Zahlreiche Hamas-nahe Gruppen nahmen laut
Bericht von Der Standard an dieser Demonstration teil, es wurde
wiederholt zur Intifada aufgerufen und auf dem Frontbanner des
Protestzuges stand die Forderung, Israel “niederzubrennen”.

Zudem wird nach unserem Wissensstand der Instagram-Account
“thepeoplesafa_vie” von VSSTÖ-FunktionärInnen betrieben, auf dem erst
vergangene Woche ein Posting veröffentlicht wurde, der auf perfide
Weise die systematische sexualisierte Gewalt der Hamas am 7. Oktober
2023 leugnet. Die von der Seite veröffentlichten Inhalte werden von
VSSTÖ-FunktionärInnen geliked – auch jene, die die JöH verunglimpfen.

Wo der VSSTÖ in Fragen Antisemitismusbekämpfung und Solidarität
steht, hat sich überdies in der Wahl ihrer Bündnisse
niedergeschlagen: Trotz langer, mehrmaliger Gespräche zwischen der
JöH und dem VSSTÖ weigerte sich dieser, aus dem Bündnis “Offensive
Gegen Rechts (OGR)” auszutreten. In der OGR sind die Hauptakteure des
linken Antisemitismus in Österreich organisiert, die mitunter den 7.
Oktober glorifizieren, weshalb dort kein Platz für jüdische
AktivistInnen ist. Aus diesem Grund haben bereits alle namhaften
antifaschistischen Gruppen sowie alle Studierendenfraktionen das
problematische Bündnis verlassen – ausnehmlich dem VSSTÖ und dem neo-
stalinistischen KSV-KJÖ.

Aufgrund der seit langem bekannten Probleme in den Reihen des
VSSTÖ haben wir als JöH dem VSSTÖ bereits mehrfach unseren Peer-2-
Peer-Antisemitismus-Workshop angeboten. Leider hat der Verband die
Chance verpasst, mit uns über legitime und wichtige Kritik an der
Politik in Israel zu sprechen und darüber, was keine Kritik ist,
sondern vulgärer Antisemitismus.

Wir fordern den Verband Sozialistischer Student:innen in
Österreich (VSSTÖ) auf, den Boykott der jüdischen
Studierendenvertretung sofort zu beenden und sich öffentlich für
diesen befremdlichen Schritt zu entschuldigen. Zudem soll sich der
VSSTÖ von der Instagram-Seite “thepeoplesafa_vie” und dem Bündnis
“Offensive gegen Rechts (OGR)” glaubwürdig distanzieren.

Alon Ishay, Präsident der Jüdischen österreichischen
HochschülerInnen (JöH), zeigt sich schockiert: “ Der Boykott
jüdischer Studierender auf Grundlage nachweislich falscher und dem
VSSTÖ bekannter antisemitischer Gerüchte an einer österreichischen
Universität im Jahr 2025 ist ein Skandal. Wir beobachten bereits seit
mehreren Jahren, wie das Klima für jüdische Studierende auch an
österreichischen Universitäten immer feindseliger wird – der Boykott
jüdischer Studierender seitens der aktuell größten ÖH-Partei ist
jedoch ein präzedenzloser Tiefpunkt. Offenbar hat der VSSTÖ die
universitären Probleme mit dem Antisemitismus nicht im Griff. ”