Wien (PK) – Der Nationalrat hat sich heute mit dem aktuellen
Tätigkeitsbericht
der Volksanwaltschaft für das Jahr 2024 befasst. Dieser macht
deutlich, dass anhaltender Personalmangel, lange Verfahrensdauer und
unzureichende behördliche Kommunikation nicht nur die
Funktionsfähigkeit der Verwaltung beeinträchtigen, sondern auch die
Wahrung grundlegender Rechte. Im Plenum gingen die Volksanwält:innen
auf die Schwerpunkte der bei ihnen eingegangenen Beschwerden ein, die
laut Bericht vor allem den Asylbereich, den Justizvollzug und die
Gesundheitsversorgung betreffen. Sie plädierten unter anderem für
eine „Kommunikation auf Augenhöhe“ der Behörden mit den Bürger:innen
und eine „Entschuldigungskultur“, wenn Verwaltungsfehler passieren.
Die Abgeordneten zollten der Arbeit der Volksanwaltschaft
parteiübergreifend Anerkennung und gingen auf Missstände, aber auch
Verbesserungen in den unterschiedlichsten Bereichen der Verwaltung
ein. Zudem brachten sie im Zuge der Debatte mehrere
Entschließungsanträge ein. So machten sich die Koalitionsfraktionen
im Zusammenhang mit der Menschenrechtskontrolle für die Einhaltung
des humanitären Völkerrechts in Gaza stark. Sie plädieren konkret für
einen „sofortigen, vollständigen, ungehinderten und sicheren
humanitären Zugang“ in den Gazastreifen, um die Versorgung der
Zivilbevölkerung mit lebensnotwendigen Gütern sicherstellen zu können
und die dortige humanitäre Krise zu beenden. Gleichzeitig sollen
diplomatische Bemühungen für einen dauerhaften Waffenstillstand und
das Engagement für eine Zweistaatenlösung zwischen Israel und
Palästina bekräftigt werden. Der Entschließungsantrag wurde einhellig
angenommen.
In der Minderheit blieb hingegen ein Entschließungsantrag der
Grünen mit ähnlicher Stoßrichtung. Mit dem Ziel eines sofortigen
Endes der israelischen Bodenoffensive und einer nachhaltigen
Friedenslösung in Gaza fordern sie, „auf allen Ebenen den nötigen
Druck aufzubauen“, um die „sofortige und vollumfängliche humanitäre
Hilfe in Gaza“ zu erwirken. Zudem sollen Initiativen auf EU-Ebene
unterstützt werden, die das Aussetzen des EU-Israel-
Assoziierungsabkommens sowie ein temporäres Waffenembargo gegenüber
Israel beinhalten. Abgelehnt wurde auch ein weiterer
Entschließungsantrag der Grünen, der auf die Ausweitung der
Prüfkompetenzen der Volksanwaltschaft abzielt. Demnach sollten auch
Unternehmen überprüft werden können, die zwar aus der
Bundesverwaltung ausgegliedert wurden, sich aber nach wie vor
mehrheitlich im Besitz des Bundes befinden.
Ebenfalls keine Mehrheit fand eine Initiative der FPÖ, in der die
Bundesregierung aufgefordert wird, auf allen nationalen und
internationalen politischen Ebenen sämtliche erforderlichen Maßnahmen
zu ergreifen, um ein Inkrafttreten des WHO-Pandemievertrags
nachhaltig zu verhindern. Sie begründen dies mit einigen
Kritikpunkten am Vertrag, der laut ihnen „die nationale Souveränität,
individuelle Grundrechte und demokratische Entscheidungsprozesse“
gefährde.
Volksanwaltschaft warnt vor Folgen des Ressourcen- und
Personalmangels
Eine zunehmende Belastung der Verwaltung durch anhaltende Krisen
und Personalmangel, besonders in den Bereichen Innere Sicherheit,
Gesundheit und Justiz prägten laut Bericht das Jahr 2024. Insgesamt
gingen rund 24.000 Beschwerden bei der Volksanwaltschaft ein, in etwa
20 % der abgeschlossenen Prüfverfahren wurden Missstände
festgestellt. Hauptthemen waren Asyl- und Fremdenrecht, Sozial- und
Gesundheitsversorgung sowie Justizvollzug. Die Volksanwaltschaft
führte zudem 458 präventive Menschenrechtskontrollen durch, wobei bei
etwa zwei Dritteln Mängel festgestellt wurden. Auch hier war der
Personalmangel – etwa in Pflegeheimen oder Einrichtungen der Kinder-
und Jugendhilfe – ein zentraler Risikofaktor.
Im Plenum zeigte sich Volksanwältin Elisabeth Schwetz erfreut
über die parteiübergreifende Anerkennung der Arbeit der
Volksanwaltschaft und ging auf die Arbeit des Kontrollorgans sowie
Fallbeispiele aus der Praxis ein. Durchschnittlich gingen 95
Beschwerden pro Arbeitstag ein, was einerseits am Ressourcenmangel in
den verschiedenen Bereichen und den daraus resultierenden Missständen
in der Verwaltung liege. Andererseits sei dieses „konstant hohe
Niveau“ auch auf die Bekanntheit und das hohe Vertrauen in die
Volkanwaltschaft zurückzuführen. Wichtig sei auch der
niederschwellige Zugang für die Beschwerdeführer:innen, erklärte
Schwetz. Als „Schlüssel zu einer guten Verwaltungsarbeit“ empfahl sie
den Behörden, eine „Kommunikation auf Augenhöhe“ mit den Bürger:innen
zu pflegen.
Die „Serviceorientierung“ stellte auch Volksanwältin Gabriela
Schwarz ins Zentrum ihrer Ausführungen. Die Menschen erwarteten sich
ein „rasches Agieren in ihrem Sinne“. Seitens der Behörden vermisste
sie eine „Entschuldigungskultur“ gegenüber den Bürger:innen, wenn
Verwaltungsfehler passierten. Schwarz ging speziell auf Missstände im
Justizvollzug ein, wo der Personalmangel, die Überbelegung der
Vollzugsanstalten und die steigende Suizidalität Anlass zu „großer
Sorge“ gäben. Eine Verbesserung erhofft sie sich durch die Ausweitung
der Möglichkeiten für den elektronische überwachten Hausarrest.
Schwarz sprach zudem den geringen Anteil an weiblichen
Beschwerdeführer:innen von nur 30 % an, was die Volksanwaltschaft
versuche, mit der gezielten Ansprache von Frauen zu ändern.
Dringenden Handlungsbedarf gebe es auch im Gesundheits- und
Sozialbereich, wie Volksanwalt Bernhard Achitz ausführte. So seien
etwa beim Kinderbetreuungsgeld „überdimensional viele“ Beschwerden zu
verzeichnen. Die Bürger:innen würden diesbezüglich im „komplizierten
Paragraphendschungel alleine gelassen“ und müssten oft Jahre auf ihr
Geld warten. Lange Wartezeiten stellten laut Achitz auch einen
Hauptbeschwerdegrund bei der medizinischen Versorgung dar.
Insbesondere Betroffene von postviralen Erkrankungen wie Myalgische
Enzephalomyelitis/Chronisches Fatigue-Syndrom (ME/CFS) sähen sich mit
„entwürdigenden Rahmenbedingungen“ und einem „Spießrutenlauf“ von
Gutachter:in zu Gutachter:in konfrontiert. Im Sinne der Betroffenen
müsse hier dringend für Entlastung gesorgt werden, so Achitz.
Koalition unterstreicht Bedeutung der Volksanwaltschaft und
fordert Ende der humanitären Krise in Gaza
Die rund 24.000 Beschwerden an die Volksanwaltschaft zeigten
deutlich, wie groß das Vertrauen der Bevölkerung in das Kontrollorgan
sei, sagte Martina Diesner-Wais (ÖVP). Sie verwies auf Verbesserungen
etwa in Pflegeheimen, bei der Gewaltprävention oder in den
Psychiatrien, die die Volksanwaltschaft durch ihre Empfehlungen
bewirken habe können. Als „wichtigen Ansporn“ bezeichnete Johann
Weber (ÖVP) deren Berichte und Empfehlungen und ging auf die
Themenbereiche Landwirtschaft und Tourismus ein, wo er auf
bürokratische Hürden etwa im landwirtschaftlichen Ausbildungswesen
hinwies. Die Lage der Menschen mit Behinderungen sprach Romana
Deckenbacher (ÖVP) an. 58 % von diesen gäben an, keine ausreichende
Versorgung zu bekommen, erklärte sie und betonte die Bedeutung
barrierefreier Einrichtungen. Agnes Totter (ÖVP) thematisierte
Defizite bei Sprachstandserhebungen im Schulsystem.
Als „unverzichtbaren Teil der Demokratie“ bezeichnete Bernhard
Höfler (SPÖ) die Volksanwaltschaft. Deren Bedeutung zeige sich auch
im Energiebereich, wo sie Missstände etwa bei der Auszahlung des
Klimabonus aufgezeigt habe, ergänzte Alois Schroll (SPÖ). Sein
Fraktionskollege Rudolf Silvan bezog sich auf den von Achitz
beschriebenen Umgang mit ME/CFS-Erkrankten und verwies auf den
diesbezüglichen Nationalen Aktionsplan, der in Zusammenarbeit mit den
Versicherungsträgern und den Bundesländern umgesetzt werden müsse.
Der Schutz und die Förderung der Menschenrechte sei nicht nur auf
nationaler Ebene von Bedeutung, verwies Pia Maria Wieninger (SPÖ) auf
die „alarmierende Situation“ und die „unerträgliche humanitäre Krise“
in Gaza. Das Aushungern der Zivilbevölkerung durch die israelische
Blockade von Hilfslieferungen und die hohe Anzahl ziviler Opfer seien
„ethisch nicht zu rechtfertigen“. Sowohl Wieniniger als auch Muna
Duzdar (SPÖ) sprachen sich auch für eine sofortige und bedingungslose
Freilassung der israelischen Geiseln und einen dauerhaften
Waffenstillstand aus.
„Alarmierend“ seien laut Stephanie Krisper (NEOS) die Zustände in
den Justizvollzugsanstalten. Es herrschten „unzumutbare
Haftbedingungen“, mangelhafte psychologische und medizinische
Betreuung und der überwiegende Teil der Gefangenen gebe an, in der
Haft bereits Opfer von Gewalt gewesen zu sein. Trotz Sparzwang müsse
hier gehandelt werden, so Krisper. Selbiges gelte für die
Unterbringung von Menschen mit Behinderungen, ergänzte Fiona Fiedler
(NEOS). Oftmals würden aufgrund der Ressourcenengpässe junge Menschen
in Pflegeheimen für Ältere untergebracht und Kinder zusammen mit
Erwachsenen.
Grüne wollen Prüfkompetenz der Volksanwaltschaft ausdehnen und
thematisieren ebenfalls Lage in Gaza
Auf die globale Gültigkeit der Menschenrechte pochte auch Grünen-
Abgeordnete Meri Disoski und sprach von der „täglich schlimmer
werdenden humanitären Katastrophe in Gaza“. Die Vereinten Nationen
sprächen bereits von über 50.000 Toten. Der „Terrorangriff“ der Hamas
sei aufs Schärfste zu verurteilen und deren Geiseln bedingungslos
freizulassen. Die Antwort dürfe jedoch nicht die „kollektive
Bestrafung der Zivilbevölkerung“ sein, so Disoski.
Die Volksanwaltschaft habe „eklatante Mängel“ in der Verwaltung
aufgezeigt, die oftmals „vulnerable Gruppen“ träfen, die diese nicht
selbst ansprechen könnten, unterstrich Olga Voglauer (Grüne) den
Stellenwert der Volksanwaltschaft. Sie plädierte daher dafür, deren
Prüfkompetenzen auf Unternehmen auszuweiten, die zwar aus der
Bundesverwaltung ausgegliedert wurden, sich aber nach wie vor
mehrheitlich im Besitz des Bundes befinden.
Agnes Sirkka Prammer (Grüne) bemerkte, dass die Anfragen an die
Volksanwaltschaft nicht aus allen Bevölkerungsgruppen gleichermaßen
häufig kämen. Neben Frauen, die sich weniger an das Kontrollorgan
wenden würden, sein insbesondere Menschen mit Migrationshintergrund
von ihrem Angebot quasi „ausgeschlossen“, da sie mit dem
österreichischen System weniger vertraut seien. Die Verwaltung müsse
jedoch für alle Menschen „fair und offen gestaltet“ sein, sagte
Prammer.
Ralph Schallmeiner (Grüne) sah die Ausführungen der
Volksanwaltschaft bezüglich der ME/CFS-Erkrankten als Auftrag an die
Politik, deren „systematische Diskriminierung und Schikanierung“ zu
unterbinden. Diese Krankheit müsse endlich überall anerkannt werden
und die Versicherungsträger müssten ihren Umgang mit den Betroffenen
ändern.
FPÖ zu den Themen Sicherheit, WHO-Pandemievertrag, Kinder- und
Jugendhilfe
Seitens der FPÖ betonte unter anderem Christian Lausch (FPÖ) die
Bedeutung der Volksanwaltschaft für die Identifizierung und
Bekämpfung von Missständen in der Verwaltung und ging auf mehrere
Fallbeispiele ein. Am deutlichsten schlage sich der „eklatante
Personalmangel“ im Straf- und Maßnahmenvollzug nieder, worunter
sowohl die Bediensteten als auch die Insassen litten. Bei allem
Sparzwang, gelte es hier laut Lausch die Sicherheit
wiederherzustellen. Auch Reinhold Maier (FPÖ) bezog sich auf den
Sicherheitsbereich und prangerte einen „aufgeblähten
Verwaltungsapparat“ und „schwarzen Postenschacher“ im
Innenministerium an, dies „lähme“ das gesamte Ressort. Er wandte sich
auch gegen die dort angesiedelte Ermittlungs- und Beschwerdestelle
Misshandlungsvorwürfe gegen Polizist:innen (EBM), die sowohl
„ideologisch motiviert“ als auch angesichts der budgetären Lage
„entbehrlich“ sei.
Rosa Ecker und Antonio Della Rossa (beide FPÖ) sprachen
Missstände in der Kinder- und Jugendhilfe an: Krisenplätze seien
überbelegt und teilweise würde „gewaltbereite Jugendliche“ gemeinsam
mit Kindergartenkindern untergebracht, so Ecker. Pflegeeltern wären
laut ihr eine „sehr gute Alternative“, wenn diese besser unterstützt
würden. Ecker kritisierte außerdem das Fehlen einer
Krankenversicherung bei manchen fremduntergebrachten Kindern und,
dass es bei Pflege- und Adoptivfamilien keine Möglichkeit für einen
„Papamonat“ gebe.
An die Prävention von Menschenrechtsverstößen als Aufgabe der
Volksanwaltschaft erinnerte Julia Heiß (FPÖ) im Zusammenhang mit dem
WHO-Pandemievertrag. Dieser stelle einen „geschickten Schachzug“ dar,
um Österreichs Souveränität „unter dem Deckmantel der globalen
Gesundheit auszumanövrieren“. Der WHO-Generaldirektor bestimme
demnach ohne Haftung alleine über die im Falle einer Pandemie zu
treffenden Maßnahmen, der Vertragstext liege noch „im Dunklen“, so
Heiß. Der Nationalrat müsse dessen Ratifizierung daher ablehnen,
stimmte Marie-Christine Giuliani-Sterrer (FPÖ) zu. Bezüglich der
eigenen Gesundheit selbst Entscheidungen treffen zu können sei ein
Menschenrecht, dass es zu wahren gelte. Man solle nicht wieder –
analog zur Corona-Pandemie – an einen Punkt gelangen, wo es heiße,
man habe es „nicht besser gewusst“, sagte sie.
Im Rahmen zweier tatsächlicher Berichtigungen warf Rudolf Silvan
(SPÖ) ein, dass weder die WHO noch deren Generalsekretär
innerstaatliche Maßnahmen anordnen könnten. (Schluss Nationalrat) wit
HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können
auch via Livestream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand
in der Mediathek des Parlaments verfügbar.