Nationalrat: ÖVP-Machtmissbrauchs-Untersuchungsausschuss könnte sich verzögern

Wien (PK) – Die Einsetzung von Untersuchungsausschüssen ist ein
parlamentarisches
Minderheitsrecht. Ein Viertel der Abgeordneten reicht aus, um einen U
-Ausschuss in die Wege zu leiten. Allerdings gibt es, was den
Untersuchungsgegenstand betrifft, gewisse verfassungsrechtliche
Vorgaben. Das könnte den von der FPÖ verlangten
Untersuchungsausschuss zum „Fall Pilnacek“ und zur Corona-Politik der
Regierung verzögern. Nicht nur die ÖVP bezweifelt, dass das Verlangen
den gesetzlichen Anforderungen entspricht. Auch von Seiten der
anderen Parteien wurden bei einer ersten Debatte im Nationalrat
Bedenken geäußert. Man werde sich das bis zu den Beratungen im
Geschäftsordnungsausschuss jedenfalls genau anschauen, kündigte
Andreas Hanger (ÖVP) an.

Hanger betonte, dass Untersuchungsausschüsse ein wichtiges
Kontrollrecht des Parlaments gegenüber der Regierung darstellten. Es
brauche aber eine klare Definition des Untersuchungsgegenstandes.
Dass dieses Erfordernis im von der FPÖ eingebrachten Verlangen
erfüllt ist, ist für ihn fraglich. Schließlich würden dort
Verschwörungstheorien mit dem Fall Pilnacek vermischt. Eine
endgültige Festlegung wollte Hanger allerdings nicht treffen: Die ÖVP
werde den Untersuchungsgegenstand jetzt in aller Ruhe prüfen und sich
mit den anderen Regierungsparteien abstimmen, sagte er.

Auch Douglas Hoyos-Trauttmansdorff (NEOS) und Kai Jan Krainer (
SPÖ) vermissen „einen klaren roten Faden“ im U-Ausschuss-Verlangen,
wie Hoyos-Trauttmansdorff es formulierte. Für ihn sei auf den ersten
Blick nicht ersichtlich, was Covid und die Versammlungsfreiheit mit
Pilnacek zu tun hätten, hielt Krainer erläuternd dazu fest. Die NEOS
werden Hoyos-Trauttmansdorff zufolge in jedem Fall „intensiv prüfen“,
„ob es ein ordentlicher und sauberer Untersuchungsgegenstand ist“.

Wenn der Untersuchungsausschuss eingesetzt ist, werde die SPÖ
aber konstruktiv mitarbeiten, kündigte Krainer an. Wiewohl er
bezweifelt, dass die FPÖ an einer seriösen Debatte interessiert ist.
Auch Hanger hegt diesbezüglich Bedenken. Er wolle keine Showpolitik,
sondern Aufklärung, bekräftigte er. Als „interessanten
parlamentarischen Zugang“ wertete Hanger in diesem Zusammenhang, dass
die FPÖ das U-Ausschuss-Verlangen zunächst an die Medien verteilt und
erst einen Tag später dem Parlament zur Verfügung gestellt habe.

Grüne halten Fall Pilnacek für aufklärungsbedürftig

Sigrid Maurer (Grüne) äußerte sich vor allem zu jenem Teil des
Untersuchungsgegenstandes skeptisch, der das Thema Corona betrifft.
Die FPÖ wolle hier keine faktenbasierte Aufklärung betreiben,
vielmehr gehe es ihr darum, die Demokratie sowie das Vertrauen in die
öffentlichen Institutionen und die Medien zu schwächen und
„rechtsextreme Propagandafantasien zu verbreiten“, glaubt sie.

Es gebe aber auch Dinge, die untersucht gehörten, unterstrich
Maurer mit Verweis auf den Fall Pilnacek, wo sie viele offene Fragen
sieht. So ist es für sie unverständlich, wie man in einer Situation,
wo man eine prominente Person tot vorfindet, „so dilettantisch
vorgehen kann“. Ihrer Meinung nach ist sowohl das Vorgehen der
Ermittler als auch die politische Verantwortung zu prüfen. Da müsse
sich auch die ÖVP kritische Fragen stellen lassen. Spekulationen über
die Todesursache Pilnaceks hält Maurer hingegen für „völlig fehl am
Platz“.

FPÖ: Untersuchungsausschuss ist „mehr als notwendig“

Davor hatte FPÖ-Abgeordnete Dagmar Belakowitsch den von ihrer
Partei verlangten „ÖVP-Machtmissbrauchs-Untersuchungsausschuss“ als
„mehr als notwendig“ bezeichnet. Die ÖVP habe ihre Macht in der
letzten Regierungsperiode „massiv missbraucht“, sagte sie. Vor allem
auf die Corona-Politik schoss sich Belakowitsch dabei ein. Man habe
die Bürger:innen „unterdrückt“ und ihnen „die Freiheit genommen“.
Konkret wurden von ihr in diesem Zusammenhang etwa Einschränkungen
der Versammlungsfreiheit und die „Einkesselung“ von Demonstrant:innen
kritisiert. Die ÖVP habe Polizeibeamt:innen „für ihre Zwecke
missbraucht“ und hätte am liebsten „auch noch in die Wohnzimmer
hineingeschaut“, so Belakowitsch. In der Regierung sei man überdies
nicht an echter Expertise interessiert gewesen, sondern hätte
kritische Expert:innen vielmehr aus den Krisenstäben entfernt. Auch
bei der Untersuchung des Fall Pilnacek geht es laut Belakowitsch
darum, ob es politische Interventionen gegeben habe.

Zweifacher Ordnungsruf für FPÖ-Abgeordnete Pracher-Hilander

Gleich zwei Ordnungsrufe der vorsitzführenden Zweiten
Nationalratspräsidentin Doris Bures handelte sich FPÖ-Abgeordnete
Katayun Pracher-Hilander ein. Zum einen ging es dabei um den Vorwurf,
dass sich Österreich „unter dem Deckmantel einer Brandmauer gegen
rechts“ in eine „diktatorisch geführte Staatsform“ gewandelt habe.
Zum anderen beanstandete Bures die Bezeichnung von Abgeordneten als
„bunte Politpapageien“. Aber auch darüber hinaus teilte Pracher-
Hilander kräftig aus, wobei sie unter anderem von jahrelangem
„Psychoterror“ der Regierung gegenüber der eigenen Bevölkerung,
„Machtmissbrauch in seiner allerperfidesten Form“ und einer „völlig
abhängigen und versklavten Medienlandschaft“ sprach. Der Regierung
sei seit fünf Jahren jedes Mittel Recht, um gegen die eigene
Bevölkerung vorzugehen, ist die FPÖ-Abgeordnete überzeugt.

Befremden löste die Wortmeldung auch bei Kai Jan Krainer (SPÖ)
aus. Er ortete eine Verhöhnung aller Menschen, die tatsächlich in
einer Diktatur bzw. in einem Land lebten, wo es keine
Meinungsfreiheit gebe.

Geschäftsordnungsausschuss am Zug

Mit dem von ihr eingebrachten Verlangen auf Einsetzung eines „ÖVP
-Machtmissbrauchs-Untersuchungsausschuss“ will die FPÖ zum einen die
Ermittlungen rund um den Tod des ehemaligen Spitzenbeamten im
Justizministerium Christian Pilnacek durchleuchten. Zum anderen steht
der behördliche Umgang mit Corona-Demonstrationen und „regierungs-
und maßnahmenkritischen Bürgern“ im Fokus. In beiden Fällen orten die
Freiheitlichen unzulässige politische Einflussnahmen, wobei sie vor
allem die ÖVP im Visier haben (Details dazu siehe
Parlamentskorrespondenz Nr. 431/2025 ).

Im Anschluss an die erste Debatte im Nationalrat wurde das
Verlangen dem Geschäftsordnungsausschuss zur Vorberatung zugewiesen.
Dieser hat nun insgesamt acht Wochen Zeit, um die formale Korrektheit
des Untersuchungsgegenstandes zu prüfen. Sollte es dabei zu
Differenzen kommen, kann die FPÖ den Verfassungsgerichtshof anrufen.
Winkt der Ausschuss die Initiative durch, hat er gleichzeitig auch
die Zusammensetzung des Untersuchungsausschusses zu bestimmen, den
grundsätzlichen Beweisbeschluss zu fassen sowie Verfahrensrichter:in
und Verfahrensanwältin bzw. Verfahrensanwalt zu wählen.

Bisher hat es in der Zweiten Republik 29 U-Ausschüsse gegeben.
Davon wurden acht nach der seit 2015 geltenden Verfahrensordnung und
sieben auf Basis eines Minderheitenverlangens eingesetzt. (Schluss
Nationalrat) gs

HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können
auch via Livestream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand
in der Mediathek des Parlaments verfügbar.