Ministerin Schumann: Soziale Dimension Europas darf nicht in den Hintergrund geraten

Wien (PK) – Der Sozialausschuss des Nationalrats diskutierte heute
über
europäische Sozialsysteme, die Zukunft der Arbeit und
Gesundheitsthemen auf EU-Ebene. Anlass war ein Bericht über die EU-
Vorhaben in den Zuständigkeitsbereichen von Ministerin Korinna
Schumann. Außerdem schickten die Abgeordneten ein Abkommen mit der
Mongolei über soziale Sicherheit ins Plenum.

Vertagt wurden zahlreiche Anträge der Oppositionsparteien. Die
FPÖ setzte sich für Menschen mit Behinderungen, gegen Scheinfirmen
und für einen Warenkorb für Grundnahrungsmittel ein. Die Grünen
machten sich ebenfalls für Menschen mit Behinderungen stark und
forderten außerdem Änderungen für diplomierte Gesundheits- und
Krankenpflegepersonen sowie eine rasche Umsetzung der EU-Richtlinie
zu Plattformarbeit.

Zu Beginn der Sitzung gedachte der Ausschuss mit einer
Trauerminute dem kürzlich verstorbenen ehemaligen Abgeordneten Rainer
Wimmer (SPÖ).

Vorhaben der EU im Jahr 2025

Die EU-Vorschau für das Jahr 2025 für die Bereiche Arbeit,
Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz ( III-149 d.B. ) nahm der
Sozialausschuss ohne die Stimmen der FPÖ zur Kenntnis. Laut Bericht
liegen vorerst nur wenige neue Richtlinien- und Verordnungsvorschläge
vor. In Ausarbeitung sind aber mehrere Strategie- und Aktionspläne.
So sind etwa ein neuer Aktionsplan zur Umsetzung der Europäischen
Säule sozialer Rechte (ESSR) und ein Fahrplan für hochwertige
Arbeitsplätze geplant. Überarbeiten will die EU-Kommission mehrere
Richtlinien zum Schutz von Arbeitnehmer:innen, etwa die geltenden
Mindestvorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz in
Arbeitsstätten, zur Bildschirmarbeit, zum Schutz vor karzinogenen
Stoffen und zum Bereich Telearbeit bzw. zum Recht auf
Nichterreichbarkeit.

Zudem stehen etliche Rechtsakte aus den vergangenen Jahren weiter
in Verhandlung. Im Gesundheitsbereich werden etwa die Verhandlungen
über das vorgeschlagene Arzneimittelpaket fortgeführt. Außerdem geht
es unter anderem um geänderte Regeln für neue gentechnische Verfahren
(NGT) und strengere Vorgaben für Tiertransporte.

Arbeits-, Sozial- und Gesundheitsministerin Korinna Schumann
begrüßte insbesondere, dass die Kommission Vorschläge zur Stärkung
der Sozialunion angekündigt habe. Die soziale Dimension Europas dürfe
– bei allem nötigen Fokus auf die Verteidigungsfähigkeit – nicht in
den Hintergrund geraten, betonte sie.

Diskussion über europäische Sozialsysteme, Zukunft der Arbeit und
Gesundheitsthemen

Michael Hammer (ÖVP) erkundigte sich nach einem
Verordnungsvorschlag zur besseren Koordinierung der Sozialsysteme,
mit dem unter anderem die grenzüberschreitende Gewährung von
Arbeitslosengeld, Familienbeihilfe und Pflegeleistungen geregelt
werden soll. Trotz intensiver Verhandlungen sei hier
bedauerlicherweise noch keine Einigung erzielt worden, so Schumann.
Eine Zurückziehung könnte eine Option sein, sagte sie. Andreas
Haitzer (SPÖ) und Marie-Christine Giuliani-Sterrer (FPÖ)
interessierten sich für den europäischen Sozialversicherungsausweis
sowie die Sicherheit der Daten. Das Projekt „ESSPASS“ werde von
Österreich vollinhaltlich unterstützt, so Schumann. Es soll
Einzelpersonen erleichtern, ihre sozialen Rechte in einem anderen EU-
Land wahrzunehmen. Die Daten werden laut Ministerin nach den Vorgaben
des Datenschutzes aufbewahrt.

Peter Wurm (FPÖ), der die kritische Einstellung seiner Partei zur
EU erneut betonte, fragte Schumann nach ihrer Einschätzung dazu, wann
andere Mitgliedstaaten das Sozialniveau Österreichs erreichen würden.
Sie sei stolz, dass in Österreich so gute sozialstaatliche Regelungen
erreicht worden seien, sagte die Ministerin. Die Zielsetzung müsse
immer sein, die Standards in anderen Ländern in dieselbe Richtung zu
entwickeln.

Im Arbeitsbereich thematisierte Julia Herr (SPÖ) das Recht auf
Nichterreichbarkeit. Erholung sei ein wesentlicher Wert für
Arbeitnehmer:innen, insbesondere wenn diese gesund bis zum
gesetzlichen Pensionsantrittsalter arbeiten sollen, sagte Schumann.
Sie unterstütze das Recht auf Nichterreichbarkeit daher. Von Johannes
Gasser (NEOS) auf eine Konferenz zur Zukunft der Arbeit angesprochen,
berichtete die Ministerin, dass die Teilnehmenden bei dieser
Konferenz unter polnischem Ratsvorsitz das erhebliche Potenzial von
älteren Arbeitnehmer:innen hervorgehoben hätten. Barbara Teiber (SPÖ)
fragte die Ministerin nach ihrer Einschätzung zu einer Richtlinie
betreffend europäische Betriebsräte. Sie begrüße sehr, dass die
Richtlinie bald in Umsetzung kommen soll, so Schumann.

Den europäischen Behindertenausweis und Parkausweis
thematisierten Heike Eder (ÖVP) und Fiona Fiedler (NEOS). Österreich
sei bemüht, die entsprechende Richtlinie fristgerecht und bestmöglich
umzusetzen, betonte die Ministerin. Die Umsetzungsfrist ende im Juni
2027, wobei die Mitgliedstaaten ein weiteres Jahr Zeit zur Anwendung
haben. Schumann befürwortete eine digitale Variante. Die Ausweise
müssten aber jedenfalls auch physisch ausgegeben werden, sagte sie.

Verena Nussbaum (SPÖ) fragte nach dem Stand der Verhandlungen zum
EU-Pharmapaket, in dem es insbesondere um die Verfügbarkeit von
Arzneimitteln geht. Anfang Juni habe sich der Rat auf eine
Verhandlungsposition geeinigt, sagte Schumann. Sie setze sich für
einen raschen Abschluss der Verhandlungen ein, so die Ministerin. Im
Bereich der Tiertransporte begrüßte Norbert Sieber (ÖVP), dass EU-
Recht auf Standards angeglichen werden soll, die in Österreich
bereits gelten. Auch Ministerin Schumann befürwortete die geplanten
Maßnahmen, die aus ihrer Sicht auch zur Sicherung der
Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Landwirtschaft beitragen.

Mehrheit für Abkommen mit der Mongolei

Mit den Stimmen von ÖVP, SPÖ, NEOS und Grünen sprach sich der
Sozialausschuss für die Ratifizierung eines mit der Mongolei
abgeschlossenen Abkommens über soziale Sicherheit aus ( 119 d.B. ).
Das Abkommen zielt insbesondere auf die gegenseitige Anerkennung von
erworbenen Pensionsansprüchen und die Zusammenrechnung von
Versicherungszeiten ab. Damit soll eine Gleichbehandlung von Personen
gewährleistet werden, die ihr Erwerbsleben zum Teil in Österreich und
zum Teil in der Mongolei verbracht haben oder im jeweils anderen
Staat wohnen.

Initiativen für Menschen mit Behinderungen

Die FPÖ erneuert die Forderung nach „Lohn statt Taschengeld“ für
eine bessere sozialrechtliche Absicherung von Menschen, die in
Behindertenwerkstätten arbeiten ( 280/A(E) ). Außerdem drängen die
Freiheitlichen auf eine volle Sozialversicherung inklusive
Pensionsversicherung, um Menschen mit Behinderungen eine sichere
Altersversorgung zu gewährleisten. Der Antrag wurde mit den Stimmen
von ÖVP, SPÖ und NEOS vertagt.

Auch die Grünen setzen sich mit einem Entschließungsantrag (
244/A(E) ) für Menschen mit Behinderungen ein. Sie fordern, dass in
der vorigen Gesetzgebungsperiode begonnene Pilotprojekte zur
Persönlichen Assistenz, inklusiven Arbeit und zur Verbesserung der
Lage von gehörlosen Menschen in den Regelbetrieb übernommen werden.
Auch diese Initiative wurde vertagt.

Die Koalitionsparteien konnten beiden Anträgen etwas abgewinnen,
verwiesen aber bei der Umsetzung von „Lohn statt Taschengeld“ auf das
fehlende Budget. Bei den Pilotprojekten, insbesondere zur
Persönlichen Assistenz, gelte es zuerst, Konzepte zu finden, die für
alle Bundesländer passen, meinten etwa Fiona Fiedler (NEOS) und
Verena Nussbaum (SPÖ).

Weitere Oppositionsanträge vertagt

In einem weiteren, ebenfalls vertagten Entschließungsantrag
setzen sich die Grünen dafür ein, dass diplomierte Gesundheits- und
Krankenpflegepersonen als eigenständige
Gesundheitsdienstanbieter:innen im Sinne des Allgemeinen
Sozialversicherungsgesetz (ASVG) anerkannt werden ( 328/A(E) ).
Gleichzeitig sollen bestimmte pflegerische Leistungen wie
Wundmanagement in den Leistungskatalog der Sozialversicherungsträger
aufgenommen werden und die Betroffenen in bestehende
Versorgungsstrukturen wie ELGA eingebunden werden, erläuterte Ralph
Schallmeiner (Grüne).

Aus Sicht der Freiheitlichen braucht es verschärfte Gesetze und
einen strengen Vollzug, um gegen Scheinfirmen und den damit
verbundenen Sozialbetrug vorzugehen. Sie fordern daher eine
Regierungsvorlage ein, mit der einige Voraussetzungen für
Wiederholungstäter bzw. Bestimmungs- und Beitragstäter im Bereich des
Scheinunternehmertums verschärft werden sollen ( 356/A(E) ). Der
Antrag wurde vertagt. Es gebe die entsprechenden gesetzlichen
Grundlagen, hieß es von der Koalition. Im Regierungsprogramm seien
außerdem Maßnahmen für eine bessere Treffsicherheit der Kontrollen
vorgesehen. Außerdem sei ein Betrugsbekämpfungspaket in Arbeit.

Die Mitte März bekannt gewordenen Massenkündigungen beim
Lieferdienst Lieferando nahmen die Grünen zum Anlass, um auf eine
rasche Umsetzung einer EU-Richtlinie für Plattformarbeit zu drängen (
166/A(E) ). Die Richtlinie soll die Arbeitsbedingungen von Personen
in Plattformarbeit verbessern. Mittels Abänderungsantrag wollten sie
im Ausschuss noch den mittlerweile veränderten Zuständigkeiten der
angesprochenen Minister:innen Rechnung tragen. Bettina Zopf (ÖVP)
begründete die Vertagung damit, dass für die Umsetzung der Richtlinie
noch ausreichend Zeit sei. Markus Koza (Grüne) hingegen hielt diese,
nicht zuletzt wegen der Kündigungen bei Lieferando, für dringend. Um
diesem konkreten Anlassfall zu begegnen, brauche es nicht die
Umsetzung der gesamten Richtlinie, sagte Johannes Gasser (NEOS). Es
würden Gespräche laufen, versicherte er ebenso wie Ausschussobmann
Josef Muchitsch (SPÖ).

Um die Preistransparenz zu erhöhen, spricht sich die FPÖ für die
Einführung eines bundesweiten Warenkorbs für Grundnahrungsmittel aus
( 355/A(E) ). Damit sollen Preise von Lebensmitteln des täglichen
Bedarfs wie Brot, Milch, Eier, Mehl, Reis, Obst, Gemüse sowie
„einfache“ Fleisch- und Fischprodukte regelmäßig erfasst und
öffentlich zugänglich gemacht werden. Markus Koza (Grüne) und Norbert
Sieber (ÖVP) erläuterten, dass Preisveränderungen im angesprochenen
Bereich mit dem Mikrowarenkorb der Statistik Austria bereits seit
Jahren erfasst werden. Der Antrag wurde vertagt. (Fortsetzung
Sozialausschuss) kar