Messenger-Überwachung: ISPA kritisiert sicherheitstechnische Lücken und grundrechtliche Probleme

Wien (OTS) – Die ISPA hat als Dachverband der Internetwirtschaft eine
Stellungnahme zum neuen Gesetzesentwurf abgegeben, mit dem die
Messenger-Überwachung ermöglicht werden soll. Darin weist sie auf
sicherheitstechnische Lücken hin und kritisiert rechtlich bedenkliche
Eingriffe in die Grundrechte, obwohl sie das Ziel einer hohen
öffentlichen Sicherheit grundsätzlich unterstützt.

Zwtl.: Anforderung an Überwachungssoftware technisch kaum umsetzbar

Generalsekretär Stefan Ebenberger sagt: „ Wir begrüßen, dass die
Software ausschließlich Nachrichten überwachen dürfen soll, die
innerhalb des bewilligten Zeitraums und genehmigten Rahmen
übermittelt werden und danach deaktiviert werden muss. Dies ist eine
grundrechtlich entscheidende Einschränkung. In der Praxis ist dies
jedoch nahezu unmöglich sicherzustellen oder zu kontrollieren, und
außerdem ist derzeit keine Überwachungssoftware bekannt, die das
garantieren kann. Das ist also eine wesentliche Vorgabe, die
technisch kaum umsetzbar ist. “

Zwtl.: Software muss streng geprüft werden

„Darüber hinaus werden die Ermittlungsbehörden die
Überwachungssoftware wohl nicht selbst programmieren, sondern von
fremden Staaten oder privaten Unternehmen beziehen. Ob diese den
Einsatz dieser Software also wirklich so begrenzen, wie das Gesetz es
vorsieht, ist höchst fraglich und technisch fast unmöglich zu
kontrollieren, wenn es keinen Zugang zum Quellcode gibt“, so
Ebenberger. „ Es muss eine unabhängige technische Überprüfung
sichergestellt werden, die alle begründeten Zweifel ausräumt. Ein
paar nette Worte auf Papier, dass der Anbieter sonst eh nichts
ausliest oder weiterleitet, reichen jedenfalls nicht. “

Zwtl.: Interessenkonflikt des Staates: Cybersicherheit oder
Überwachung?

Aber auch andere könnten die neuen Möglichkeiten ausnutzen
wollen, erklärt Ebenberger: „Die Überwachungssoftware muss ja durch
eine Lücke ins Endgerät eingespielt werden. Diese Lücke können nicht
nur Behörden mit einer Genehmigung nutzen, sondern auch Kriminelle.
Gleichzeitig will der Staat aber zurecht höchstmögliche
Cybersicherheits-Standards. Diesen Interessenkonflikt, in den sich
der Staat hier begibt, wird man kaum auflösen können.“

Zwtl.: Sorge vor Ausweitung der Überwachung und Einführung einer
Vorratsdatenspeicherung

Und dann gibt es noch die Sorge davor, dass die Überwachung, wenn
es sie erst einmal gibt, auch ausgeweitet wird. „Es muss ausdrücklich
geregelt werden, dass diese Form der Überwachung nur für schwerste
Bedrohungen und auf Grundlage des Staatsschutz- und Nachrichtendienst
-Gesetzes eingesetzt werden darf, und für nichts anderes“, so
Ebenberger. Gleichzeitig würden nach dem derzeitigen Entwurf Daten
durch sogenannte IMSI-Catcher gesammelt werden, die quasi einen
Handymasten nachahmen, wodurch sich das Handy einer verdächtigen
Person dort einloggt – genauso wie die Handys aller unbescholtenen
Menschen, die das Pech haben, in deren Nähe zu sein. Ebenberger sagt:
„De facto bedeutet das eine Form der Vorratsdatenspeicherung, für die
es keinerlei rechtliche Grundlage gibt und bei der höchst fraglich
ist, ob sie überhaupt mit EU-Recht übereinstimmt.“ Gleichzeitig kann
es zu Störungen im Mobilfunknetz kommen.

Zwtl.: Zu wenig Schutz vor Missbrauch

Auch andere grundsätzliche Probleme sind noch ungelöst. Das
wichtigste davon: „Wie wird sichergestellt, dass diese Maßnahme nicht
missbraucht werden kann?“, fragt Ebenberger. „ Wir haben bereits in
Polen gesehen, dass eine solche Überwachungssoftware gegen die
politische Opposition eingesetzt wurde, und in Ungarn gegen
Investigativjournalist:innen. Das kann also selbst in der EU
passieren. Daher stellt sich die Frage: Wer überwacht die Überwacher?
Wie werden Grundrechte wie Pressefreiheit, Datenschutz oder die
Privatsphäre sowie rechtsstaatliche Prinzipien ausreichend
abgesichert? Darauf fehlt noch eine angemessene Antwort. “

Denn eines ist für die ISPA klar: „ Wenn eine
Überwachungssoftware einmal auf dem Handy ist, hat sie Zugriff auf
alles, vom Babyfoto bis zum Passwort, das wir in die Bank-App
eingeben. Das ist keine zeitgemäße Form der Telefonüberwachung, das
ist die komplette digitale Hausdurchsuchung. So umsichtig muss sie
also auch gehandhabt werden. “

Zwtl.: Anerkennung für Verbesserungen im Gesetzesentwurf

Zugleich erkennt die ISPA an, dass im aktuellen Gesetzesentwurf
wesentliche Verbesserungen gegenüber dem von vergangenem August
vorgesehen sind. „Insbesondere die stärkere Kontrolle durch den
Rechtsschutzbeauftragten und die Berichtspflichten gegenüber dem
Parlament sind ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung“, zeigt
sich Ebenberger erfreut. „Wir anerkennen und unterstützen die
Bemühungen des Innenministeriums und hoffen, dass auch unsere anderen
Bedenken aus der Stellungnahme aufgenommen werden. Die ISPA steht
natürlich schon so, wie sich das bisher gut bewährt hat, für eine
konstruktive Zusammenarbeit auf Basis der Grundrechte zur Verfügung.“

Die vollständige Stellungnahme der ISPA finden Sie hier.