FMA-Vorstände Ettl und Müller berichten im Finanzausschuss: KIM-Verordnung sorgt für Kontroverse

Wien (PK) – Eine rege Diskussion führten die Abgeordneten im heutigen
Finanzausschusses bei der Aussprache mit den Vorstandsmitgliedern der
Finanzmarktaufsicht (FMA), Helmut Ettl und Eduard Müller. In der
Debatte wurde die KIM-Verordnung (Kreditinstitute-
Immobilienfinanzierungsmaßnahmen-Verordnung) und die damit verbundene
Empfehlung der FMA kontrovers diskutiert. Die KIM-Verordnung läuft
Ende des Monats aus. An ihre Stelle tritt die Empfehlung der FMA,
sich weiterhin an die Standards zu halten. Die FPÖ kritisierte die
Empfehlung als „höchst bedenklich“ und forderte Deregulierung, um
leistbares Wohnen und mehr private Immobilienentwicklung zu
ermöglichen. Auch die ÖVP betonte, dass Kredite für Private leichter
zugänglich sein müssten. Die NEOS stellten die Wirksamkeit der KIM-
Verordnung infrage. Die Grünen hingegen verteidigten die KIM-
Verordnung als wichtigen Schutzmechanismus. Die SPÖ verwies auf
gestiegene Kreditvergaben trotz der Verordnung. Obwohl die KIM-
Verordnung auslaufe, dominiere sie in politischen Debatten, stellte
Selma Yildirim (SPÖ) fest. Die Aussprache dauerte über eine Stunde
länger als geplant.

„Dem österreichischen Finanzmarkt geht es gut, die Institutionen
sind gut aufgestellt und kapitalisiert“, fasste Ettl die allgemeine
Lage am österreichischen Finanzmarkt zusammen. Die FMA sieht „keine
strukturellen Probleme, die zu Turbulenzen führen könnten, die nicht
bewältigbar sind“. Ettl ortete Schwierigkeiten in einzelnen
Segmenten. Die Gewinnlage der österreichischen Banken sei 2024
„außerordentlich gut“ gewesen, hielt der FMA-Vorstand fest.

Die „Leistbarkeitslücke“ und wie es dazu kam

Dominierende Themen der FMA seien die inländische Kreditvergabe
an Privatpersonen und den gewerblichen Bereich. Seit 2010 hätten sich
die Immobilienpreise verdoppelt, während die Einkommen um 50 %
gestiegen seien, fasste Ettl zusammen. „Dies führte zu einer
Leistbarkeitslücke“. Bereits vor der verbindlichen KIM-Verordnung
habe es Empfehlungen von der Finanzmarktaufsicht gegeben, so Ettl.
Diese seien jedoch bei der Neukreditvergabe zu 90 % nicht erfüllt
worden. Nachdem die Europäische Zentralbank im Jahr 2022 eine
Zinswende durchgeführt hatte, wurden mit der KIM-Verordnung
grundsätzliche Vergabekriterien festgelegt, die eine maximale
Beleihungsquote von 90 %, eine Schuldendienstquote von maximal 40 %
und eine maximale Laufzeit von 35 Jahren vorsehen.

Ausnahmekontingente von Banken nicht genutzt

Die Verordnung sehe eine 90%-ige Beleihungsquote vor, im
Umkehrschluss müsse der Kreditnehmer 10 % eigenfinanzieren, stellte
Ettl klar, denn oft wäre von 20 % die Rede. Es gebe umfangreiche
Ausnahmekontingente von den Bestimmungen, die von den Banken nicht
ausgeschöpft worden seien, betonte er. In diesem Sinne sprach sich
der FMA-Vorstand gegen kompliziertere Regularien aus. „Die jetzige
Regelung versteht jeder und es entspricht den Einstellungen der
Österreicher:innen“, hielt er fest.

Das sah die ÖVP anders. Es gehe bei der ÖVP Feedback ein, das
mehr Flexibilität fordere, hielt Lindinger entgegen. Für ihn sei
nicht verständlich, warum an der 40-%-Schuldenquote festgehalten
werde, sagte er mit Blick auf unterschiedlich hohe
Haushaltseinkommen.

Private Kreditvergabe wieder angesprungen

2025 – nach der neuerlichen Zinswende – gebe es eine Erhöhung bei
der Neukreditvergabe von 70 %, führte Ettl aus. Mittlerweile würden
die Vergabestandards in 90 % der Fälle eingehalten, weshalb kein
Risiko mehr für den Finanzmarkt bestehe. Die KIM-Verordnung laufe
Ende des Monats aus. An ihre Stelle tritt die Empfehlung der FMA,
sich weiterhin an die Standards zu halten. Ein Abgehen werde keine
Konsequenzen haben, allerdings werde die FMA genauer nachfragen und
prüfen, ob dies vertretbar sei, so Ettl.

„Immobilienentwickler haben eine Bank nach der anderen
abgeklappert“

Österreich habe einen hohen Anteil an gewerblichen
Immobilienfinanzierungen, erläuterte Ettl und erinnerte an die Signa-
Pleite im Jahr 2023. Seitdem werde ein Anstieg an „Non Performing
Loans“ festgestellt – konzentriert auf bestimmte Regionen und
Sektoren. „Immobilienentwickler haben eine Bank nach der anderen
abgeklappert und von zig Banken Kredite bekommen“, so Ettl.
Regionalbanken hätten dabei ihr Gebiet verlassen und Kredite für den
Ballungsraum Wien vergeben. Da viele Banken eine Abwartestrategie
verfolgten, sei das Ausmaß der Verluste in diesen Ausfällen noch
unklar. Seit Dezember 2023 seien 54 % aller Insolvenzen im
Immobiliensektor gewesen. Konkurse seien schmerzhaft für einige
Kreditinstitute, laut Ettl geht davon jedoch keine Gefährdung für das
System aus. Um die Risiken aus der gewerblichen
Immobilienfinanzierung zu begrenzen, habe die FMA einen sektoralen
Systemrisikopuffer gesetzt. Demnach müssen Institute dafür
zusätzliches Kernkapital halten, so Ettl.

Fehlende Liquidität bei Immobilienfonds

Vorstand Müller thematisierte Immobilieninvestmentfonds. Das
Volumen dieser Fonds habe sich stark verringert. Derzeit liege es bei
7,23 Mrd. Ꞓ, um 34,1 % weniger als 2022, betonte er. Dies sei nicht
unmittelbar gefährdend, Müller schätzte die Situation am
österreichischen Immobilienfondsmarkt aber als angespannt ein. Ein
Fonds werde bereits abgewickelt, hielt er fest. Die Fonds seien
offen, weitere Geldmittel könnten daher abgezogen werden, warnte er.
Das Problem sei bereits mit einer Novelle des
Immobilieninvestmentfondsgesetz im Jahr 2021 adressiert worden,
jedoch mit einer langen Übergangsfrist. Eine Lösung sei erst 2027 in
Sicht.

Müller thematisierte auch die Herausforderungen im Zusammenhang
mit der Digitalisierung und den Auswirkungen auf die Aufsicht.
Künstliche Intelligenz, Blockchain-Technologien und digitale Assets
würden an Bedeutung gewinnen, neue Finanzprodukte würden entstehen
und neue Finanzdienstleister den Markt betreten, hielt er fest.
Qualität und Seriosität waren Müller dabei ein wichtiges Anliegen.
Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung würden gravierende Risiken für
Finanzdienstleister darstellen. Müller hob dabei auch das
Reputationsrisiko hervor, sollten auf höchstem Level nicht die
Geldwäschebestimmungen eingehalten werden. Ab 1. Jänner 2026 werde
die FMA die Aufsicht über Finanzsanktionen einschließlich der
Überwachung von Versicherungen, Wertpapierfirmen und Krypto-
Dienstanbietern übernehmen, hielt der Vorstand fest.

FPÖ hält Empfehlung mit Erwartungshaltung für „höchst bedenklich“

„Hätte man nicht damals auch mit Empfehlungen arbeiten können?“,
wollte Arnold Schiefer (FPÖ) wissen. Im privaten Sektor gebe es wenig
Kreditausfälle, betonte er. Er machte sich dafür stark, Wohnen
billiger zu machen. Dabei solle nicht nur der soziale Wohnbau
vorangetrieben werden, sondern auch leistbares Eigentum ermöglicht
werden. Schiefer sprach sich dafür aus, Immobilienentwicklung im
privaten Bereich wieder zu forcieren.

Hubert Fuchs (FPÖ) konnte die Logik der FMA zur KIM-Verordnung
nicht nachvollziehen. Er verwies auf das Legalitätsprinzip und
empfand die Empfehlung mit Erwartungshaltung für „höchst bedenklich“.
Auch nachzufragen verursache Zeitaufwand und damit Kosten, die der
Konsument tragen müsse, betonte er. Fast alle im Raum seien für
Deregulierung, fasste Fuchs mit Blick auf FPÖ, ÖVP und NEOS zusammen.
Ein Aufsichtsgremium werde keine Deregulierung vorschlagen,
kritisierte er und sprach sich dafür aus, sofort mit der
Deregulierung zu beginnen.

Angesichts der hohen Gewinne der Banken im Jahr 2024 hinterfragte
Maximilian Linder (FPÖ), ob diese nicht einen größeren Beitrag zur
Budgetsanierung hätten leisten können.

ÖVP: Es muss möglich sein, Kredite zu bekommen

Kurt Egger (ÖVP) wollte von den FMA-Vorständen wissen, wie es zu
dem Rundschreiben der FMA gekommen sei. Seitens der FMA erklärte
Müller, die Entscheidung zu dem Rundschreiben sei im Rahmen des
Finanzmarktstabilitätsgremiums (FMSG), dem auch Vertreter des
Fiskalrats, des Finanzministeriums und der Nationalbank (OeNB)
angehören, getroffen worden. Im Finanzmarktstabilitätsgremium würden
Entscheidungen üblicherweise einstimmig getroffen, erfuhr Fuchs (FPÖ)
.

Klaus Lindinger (ÖVP) argumentierte dafür, die individuelle
Situation zu berücksichtigen und die Schuldenquote von 40 % vom
realistischen Einkommen abhängig zu machen. Es müsse möglich sein,
Kredite zu bekommen. Lindinger sprach sich dafür aus, dass Banken
„mit Hausverstand agieren“, da sie schließlich die Kredite
zurückbezahlt bekommen müssten. Ein Nachfragen der FMA erzeuge neben
den Kosten auch Bürokratieaufwand, hielt Lindinger fest.

Ettl bestätigte: Aufsicht führt zu Kosten. Aber wenn am
Finanzmarkt etwas passiere, seien die Kosten immens hoch. Der FMA-
Vorstand warnte vor Deregulierung am Finanzmarkt angesichts der
geopolitischen Instabilität. Es gelte, die Lehren aus 2008
weiterzuziehen. Vereinfachungen und Effizienzsteigerungen seien
jedoch möglich.

NEOS standen KIM-Verordnung kritisch gegenüber

Die NEOS standen der KIM-Verordnung kritisch gegenüber. Christoph
Pramhofer (NEOS) schlussfolgerte, die KIM-Verordnung habe zum
Gegenteil der ursprünglichen Intention geführt. Die 40-%-Grenze hielt
Pramhofer für problematisch, da es im Gegensatz dazu möglich sei, 50
% des Einkommens für Miete auszugeben und zusätzlich zu sparen. Zudem
verwies er auf Unterschiede zwischen fixen und variablen Krediten. Er
sprach sich dafür aus, die Höhe des Haushaltseinkommens zu beachten.
Hohe Baukosten würden auch von den Energiekosten verursacht, hob
Pramhofer hervor.

Grüne: Leistbares Wohnen nicht über lockere Kreditvergabe
ermöglichen

In einem Schlagabtausch hielt Nina Tomaselli (Grüne) entgegen,
dass nicht nur die Preise beim Neubau stiegen, sondern auch die
Grundstückspreise und die Preise gebrauchter Immobilien. Demnach
seien Preisanstiege nicht kostengetrieben, argumentierte Tomaselli.

Es habe seit 2012 Empfehlungen gegeben, die nicht ernst genommen
worden seien, hielt sie fest. Leistbares Wohnen könne nicht über
lockere Kreditvergabe ermöglicht werden. Die KIM-Verordnung habe sich
bei den Rating-Einstufungen positiv ausgewirkt, machte Tomaselli
aufmerksam und hinterfragte die Auswirkungen des Auslaufens. Ettl
führte aus, es müsse sehr genau erklärt werden, warum die KIM-
Verordnung durch eine Empfehlung ersetzt werde.

SPÖ: Kreditvergaben an Private um 70 % gestiegen, obwohl KIM-
Verordnung in Kraft ist

Selma Yildirim (SPÖ) interessierte sich für Firmenverflechtungen
bei Kreditvergaben und die Besicherung solcher Kredite. Die
Verflechtungen seien zu spät erkannt worden, führte Müller dazu aus.

Kai Jan Krainer (SPÖ) hielt fest: Kreditvergaben an Private seien
um 70 % gestiegen, obwohl die KIM-Verordnung in Kraft sei.
Problematisch sah er die Reduktion der Wohnbauförderung. Zudem
interessierte sich Krainer für die Geldwäscheanfälligkeit von
Kryptowährungen.

Finanzminister Marterbauer: „Pragmatische Vorgangsweise“ der FMA

Finanzminister Markus Marterbauer verwies auf die eindeutige
Meinung der Literatur: Banken seien bei der Kreditvergabe strikt zu
regulieren. Dabei verwies er auf das individuelle Risiko der
Verschuldung. Vergangene Krisen seien immer aus dem Immobilien- und
Finanzbereich gekommen, betonte er. Kreditvolumen seien stark von
Zinsen abhängig. Da das Systemrisiko nicht mehr existiere, sei der
Grund für die Verordnung entfallen. Die FMA agiere weisungsfrei,
hielt er fest. In der Empfehlung ortete er eine „pragmatische
Vorgangsweise“.

Marterbauer ging auch auf die Nachfrage nach leistbarem Wohnen in
Ballungsräumen ein. Es gebe einen Zuwachs an Wohnungen, „aber nicht
im leistbaren Bereich“. Das Regierungsprogramm sehe eine Evaluierung
der Wohnbauförderung vor. Schiefer (FPÖ) zeigte sich angesichts der
Situation beim Wohnbau besorgt und richtete sich an Marterbauer mit
der Forderung, unterstützend tätig zu werden. Marterbauer verwies auf
die angespannte Budgetsituation: „Wenn ausreichend Mittel vorhanden
wären, würden wir in leistbares Wohnen investieren.“ Sinnvolle
Maßnahmen seien zwar möglich, müssten jedoch finanziell abgesichert
sein. Daher wolle er unter anderem kostentreibende Wohnbaustandards
überprüfen. Zudem könne die in Wien etablierte Widmungskategorie
„geförderter Wohnbau“ auch auf andere Ballungsräume ausgeweitet
werden. (Schluss Finanzausschuss) gla