Wien (PK) – Der EU-Unterausschuss des Nationalrats befasste sich
heute mit dem
„Clean Industrial Deal“ sowie dem darin enthaltenen „Aktionsplan für
erschwingliche Energie“. Zudem ging es um einen Richtlinienvorlag der
Kommission aus dem „Omnibus-Paket“, der Vereinfachungen bei der
Nachhaltigkeitsberichterstattung für Unternehmen bringen soll.
Das „allergrößte Ziel“ sei es, die schleichende
Deindustrialisierung in Europa zu stoppen, sagte Wirtschaftsminister
Wolfgang Hattmannsdorfer. Daher gelte es, alle Maßnahmen auf den
Prüfstand zu stellen und festzustellen, ob sie diesem Ziel dienen.
Die Beratung über den „Aktionsplan für erschwingliche Energie“
wurde mit dem Stimmen der Koalitionsparteien vertagt. Ein von den
Grünen dazu eingebrachter Antrag auf Stellungnahme gilt damit ebenso
als vertagt. Der von Meri Disoski (Grüne) eingebrachte Antrag, zielte
auf die Unterstützung des Fahrplans der Europäischen Kommission zur
Beendigung russischer Energieimporte ab.
Hattmannsdorfer: Clean Industrial Deal „summa summarum ein gutes
Werk“
Mit dem „Clean Industrial Deal“ (CID) – dem Fahrplan für
Wettbewerbsfähigkeit und Dekarbonisierung – will die Europäische
Kommission die Wettbewerbsfähigkeit und Resilienz der Industrie
fördern und die Dekarbonisierung beschleunigen. Bis zum Jahr 2030
soll die EU Weltmarktführer in der Kreislaufwirtschaft werden und bis
zum Jahr 2040 gilt ein 90 %-Reduktionsziel von Treibhausgasen.
Klimaneutralität will die EU bis zum Jahr 2050 erreichen.
Der CID ist laut Wirtschaftsminister Hattmannsdorfer „summa
summarum ein gutes Werk“. Bei der Ausgestaltung solle aus
österreichischer Sicht in einigen Punkten – beispielsweise beim
Beihilfenrecht – noch nachgeschärft werden. Neben der EU-
Binnenmarktstrategie, die noch diese Woche vorgestellt werden soll,
sei der CID laut Hattmannsdorfer „ein Grundparameter für die Stärkung
der Wettbewerbsfähigkeit in Europa“.
FPÖ-Abgeordnete Susanne Fürst nannte den CID eine „zaghafte
Abkehr von den großen Irrationalitäten des Green Deals“. Damit würden
„dem Anschein nach“ Prioritäten wieder anders gereiht und
Wettbewerbsfähigkeit in den Vordergrund gerückt. Die Klimaziele
würden jedoch ein Kernelement bleiben und es gebe viele Stimmen aus
der Wirtschaft, die sagen würden, dass diese Ziele nicht zu stemmen
seien, so Fürst. Europa habe das „weltweit strengste CO2-Regime“ und
dieses sei eine „dunkle Wolke“ für Unternehmer und erschwere
Investitionen.
Elisabeth Götze (Grüne) sagte, dass der CID und insbesondere die
Transformation der Wirtschaft zu begrüßen seien. Weniger
Ressourcenverschwendung komme auch der Wirtschaft zugute, so Götze.
Eine vertane Chance sei, dass der Ausstieg aus klimaschädlichen
Investitionen nicht genutzt werde. Zudem könne es im Zuge der
Transformation zu sozialen Verwerfungen kommen. Daher brauche es
einen „gerechten Übergang“ sagte Götze.
Carina Reiter (ÖVP) meinte, dass der CID „durchaus einige Chancen
bieten“ würde, es jedoch auch noch Unklarheiten gebe, hinsichtlich
derer man sich „konstruktiv einbringen“ solle.
Auch Alois Schroll (SPÖ) sagte, dass der CID viele Chancen
bringe, jedoch auch einige bedenkliche Punkte enthalte. Der
Klimaschutz dürfe nicht auf der Strecke bleiben. Zudem forderte er
die Miteinbeziehung der Sozialpartner.
Michael Bernhard (NEOS) erkundigte sich, ob die
Gasspeicherverordnung noch notwendig sei und welche Chancen der
Wirtschaftsminister für Österreich bei der Stärkung der
Kreislaufwirtschaft sehe.
Wirtschaftminister Hattmannsdorfer sprach von „enormen Chancen“
für Österreich bei der Kreislaufwirtschaft – beispielsweise für
Universitäten, Forschung, Technologie und beim Recycling. Zur
Gasspeicher-Verordnung sagte er, dass sich aus seiner Sicht die
Rahmenbedingungen inzwischen verändert hätten – allerdings gelte dies
nur bis zur nächsten geopolitischen Verwerfung. Entscheidend sei
daher Diversifizierung. Es sei das Gebot der Stunde, diese „breit zu
sehen“, so Hattmannsdorfer.
Aktionsplan: Energie erschwinglich machen, Energiearmut bekämpfen
Als Teil des „Clean Industrial Deals“ veröffentlichte die
Europäische Kommission den „Aktionsplan für erschwingliche Energie“ .
Da sich die Schere zwischen den Energiepreisen in der EU und jenen
ihrer internationalen Mitstreiter zunehmend vergrößere und rund 46
Millionen Europäer:innen in Energiearmut leben würden, sieht der
Aktionsplan sowohl kurzfristige Maßnahmen als auch langfristige
Reformen vor.
Das Wirtschaftsministerium steht hinter diesen Plänen, da damit
Verbraucher:innen und Betriebe von langfristiger Stabilität und
Unabhängigkeit von Preisschocks dauerhaft von erschwinglicher Energie
profitieren können. Viele der im Aktionsplan vorgesehen Maßnahmen
werden jedoch erst mittel- bis langfristig wirken, heißt es aus dem
Ministerium. Daher sei es wichtig, die notwendige gesetzliche
Grundlage für die angestrebten Maßnahmen – also das
Elektrizitätswirtschaftsgesetz (ElWG) – noch vor dem Sommer
umzusetzen.
Susanne Fürst (FPÖ) fragte, wie im Ministerium sichergestellt
werde, dass im Hinblick auf diesen Aktionsplan nationale Kompetenzen
von EU-Kompetenzen abgegrenzt werden. Hattmannsdorfer sagte, dass
sich das Ministerium mit dieser Frage „stark beschäftige“ – es gehe
jedoch nicht nur um die Abgrenzung von europäischen und nationalen
Kompetenzen, sondern auch um die Abgrenzung von Bundes- und
Länderkompetenzen.
Kurt Egger (ÖVP) betonte die Wichtigkeit für Planungs- und
Versorgungssicherheit für Unternehmen. Beim vorgeschlagenen
Aktionsplan für erschwingliche Energie sei noch nicht bekannt, welche
legislativen Vorhaben dieser mit sich bringen werde. Er stellte daher
den Antrag auf Vertagung und verwies auf Vorhaben auf nationaler
Ebene, die „in der Pipeline“ seien – wie das
Elektrizitätswirtschaftsgesetz (ElWG).
Klar sei, dass man keine Energie aus Russland wolle, sagte Robert
Laimer (SPÖ) und fragte nach alternativen Möglichkeiten und der
langfristigen Versorgung. Zudem wies er darauf hin, dass die
Atomkraft in Europa ein „signifikantes Revival“ erleben würde. Alois
Schroll (SPÖ) merkte an, dass der Aktionsplan hinsichtlich der
Maßnahmen zur Senkung der Energiearmut nur vage bleibe. Zudem sprach
er das Merit-Order-System an.
Michael Bernhard (NEOS) thematisierte die Pläne der Europäischen
Kommission zur Beseitigung von Barrieren beim Wechsel von
Stromanbietern. Österreichische Kund:innen würden Tarife nur selten
wechseln. Er fragte daher, was man tun könne, dass diese Möglichkeit
mehr genutzt werde.
Zur Bekämpfung von Energiearmut forderte Meri Disoski (Grüne)
einen effektiven Sozialtarif. Zudem sollten laut Disoski keine
öffentlichen Gelder in den Ausbau von Atomenergie fließen und die
Abhängigkeit von fossilen Energieträgern reduziert werden. Sie
brachte einen Antrag auf Stellungnahme ein. Dieser zielte darauf ab,
den Fahrplan der Europäischen Kommission zur Beendigung russischer
Energieimporte zu unterstützen, genauso wie das Ziel, alle Öl- und
Gasimporte aus Russland bis spätestens 2027 komplett und ohne
zeitliche Befristung zu stoppen. Zudem bezog sich Disoski auf ein
Interview von Wirtschaftsminister Hattmannsdorfer, in dem dieser
gesagt hätte, dass er die Lage nach dem Krieg in der Ukraine neu
bewerten wolle. Disoski meinte, dass sich Hattmannsdorfer mit dieser
Aussage „eine Hintertür zu Putin offenhalten“ wolle.
Es gebe „Nullkommanull Spielraum“, wenn es darum gehe in Richtung
Putin eine Tür offen zu lassen, entgegnete Hattmannsdorfer. Es werde
jedoch eine Zeit nach Putin geben und die geltenden Maßnahmen sollten
immer auf das herrschende Regime ausgelegt sein. Wenn sich Russland
zu einer liberalen Demokratie entwickle, sollte man sich dann keine
Potentiale verbauen, sagte Hattmannsdorfer.
Weiters verwies Hattmannsdorfer darauf, dass Maßnahmen zur
Diversifizierung der Gaslieferanten gesetzt werden – und betonte,
dass dabei jedoch keine neuen Abhängigkeiten geschaffen werden
sollten. Zudem sagte er, dass es beim Thema Atomstrom eine eindeutige
Haltung der Regierung gebe und diese auch im Regierungsprogramm
festgeschrieben sei.
Bürokratieabbau: EU will Nachhaltigkeitsberichterstattung
vereinfachen
Zur Stärkung der europäischen Wettbewerbsfähigkeit will die
Europäische Kommission auch auf den Abbau bürokratischer Hürden für
Unternehmen setzen – gleichzeitig sollen die Ziele des Green Deals
gewahrt bleiben. Ein sogenanntes „Omnibus-Paket“ sieht dazu eine
Richtlinie mit Vereinfachungen vor: Diese betreffen die Umsetzung der
Richtlinie über die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen
(CSRD), die Umsetzung der Lieferkettenrichtline (CSDDD) sowie die EU-
Taxonomie-Verordnung.
Er begrüße diese Initiativen, die rasch umgesetzt werden sollten,
sagte dazu Wirtschaftsminister Hattmannsdorfer.
Kurt Egger (ÖVP) wollte wissen, ob es noch weiterer „Omnibus-
Pakete“ bedürfe. Hattmannsdorfer meinte dazu: „Jeder Omnibus mehr ist
ein guter Tag für Europa“.
Barbara Kolm (FPÖ) forderte die Abschaffung der
Berichtspflichten. Das Paket würde zudem falsche Versprechen als
„Bürokratieabbau“ enthalten, sei aber nur „eine weitere zentral
gelenkte Planwirtschaft“, so Kolm.
Pia Maria Wieninger (SPÖ) erinnerte daran, dass das
Lieferkettengesetz erst vor einem Jahr beschlossen wurde und sagte,
dass dessen Ziele nicht „total verwässert“ werden dürften.
Das Ziel des Lieferkettengesetztes sei löblich, doch die
Umsetzung schwierig, sagte Michael Bernhard (NEOS) und verwies
darauf, dass der neue deutsche Kanzler das Lieferkettengesetz
aufheben wolle. Er fragte Hattmannsdorfer, welche neue Dynamik in der
Debatte dadurch zu erwarten sei.
Als sehr kritisch sah Elisabeth Götze (Grüne) die von der
Kommission vorgeschlagenen Änderungen – unter anderem weil manche
Unternehmen bereits begonnen hätten in die
Nachhaltigkeitsberichterstattung zu investieren. Da
Nachhaltigkeitsberichterstattung auch Chancen bringen würde, solle
Österreich gegen das Omnibus-Paket stimmen, forderte Götze.
Er kenne keinen einzigen Betrieb, der sich für
Berichterstattungspflichten aussprechen würde, sagte Hattmannsdorfer.
Der „Radikalzugang“ des deutschen Kanzlers zum Lieferkettengesetz sei
hilfreich in der Debatte, denn so könnte es zu noch mehr
Deregulierung kommen, meinte der Wirtschaftsminister. Entscheidend
sei vor allem der „Stop-the-Clock“-Vorschlag der Kommission gewesen –
also die Verschiebung der Fristen, da es sonst enormen zeitlichen
Druck geben würde, so der Wirtschaftsminister.
Elisabeth Götze (Grüne) sagte, es sei „demokratiepolitisch
bedenklich“, wenn bereits gefasste Beschlüsse – wie das
Lieferkettengesetz – wieder ausgehebelt würden. Hattmannsdorfer
betonte, dass es auch für die Rücknahme eines Beschlusses eine
Mehrheit brauche und dies ein Teil des demokratiepolitischen
Prozesses sei. (Schluss EU-Unterausschuss des Nationalrats) bea