Wien (PK) – Der Europäische Sozialfonds Plus (ESF+) ist ein
Finanzinstrument der
Europäischen Union (EU), um die Beschäftigungs- und Bildungschancen
sowie den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt in der
Europäischen Union zu verbessern. Die EU-Kommission schlägt nun
Anpassungen vor, um dieses Instrument verstärkt auf aktuelle
geopolitische, wirtschaftliche und gesellschaftliche
Herausforderungen auszurichten. Dazu veröffentlichte die Kommission
am 1. April einen Verordnungsvorschlag . Der EU-Ausschuss des
Bundesrats diskutierte heute den Vorschlag, wobei die Skepsis
deutlich überwog. Seitens des Sozialministeriums hieß es dazu, dass
die Neuausrichtung der Ziele des Fonds vor allem im Interesse der
östlichen EU-Mitgliedstaaten sei. Österreich sehe keinen Anlass,
seine bereits festgelegten Schwerpunkte zu ändern.
ESF+ soll stärker an Interessen östlicher Mitgliedstaaten
ausgerichtet werden
In einem ersten Statement führte die Expertin des
Sozialministeriums aus, dass der Verordnungsvorschlag darauf abziele,
den Sozialfonds um zwei neue Schwerpunkte zu ergänzen. Mittel aus dem
Europäischen Sozialfonds Plus (ESF+) sollen dazu innerhalb der
laufenden Programme 2021-2027 auf neue Prioritäten umgeschichtet
werden. Zum einen gehe es um die zielgerichtete Unterstützung der
Verteidigungsindustrie und Unterstützung der strategischen Autonomie,
zum anderen um Maßnahmen, um die Dekarbonisierung und
Qualifizierungsmaßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel zu fördern.
Für eine solche Neuausrichtung der Programme der Mitgliedstaaten sind
Anreize in Form erhöhter Kofinanzierungen und Vorfinanzierungen
geplant. Ein besonderer Fokus solle dabei auf der Unterstützung
östlicher EU-Mitgliedstaaten liegen.
Der niederösterreichische FPÖ-Bundesrat Michael Bernard fragte,
was der Verordnungsvorschlag für die Mittel des Fonds bedeuten würde,
und welche Änderungen sich finanziell für Österreich sowie für die
östlichen EU-Mitgliedsstaaten ergeben würden.
Stefan Schennach (SPÖ/W) zeigte sich kritisch gegenüber einer
Neuausrichtung des Sozialfonds, der ein „Herzstück“ der EU-
Kohäsionspolitik sei, und dabei aus gutem Grund den Schwerpunkt auf
Soziales gelegt habe. Eine Umschichtung der Mittel, die Abstriche bei
der Sozialpolitik bedeuten würde, lehne er grundsätzlich. Das wäre
aus seiner Sicht ein enormer Rückschritt in der europäischen
Kohäsionspolitik. Er sehe auch einen gewaltigen Verwaltungsaufwand
auf die Mitgliedstaaten zukommen.
Dieser Kritik schloss sich der Wiener Bundesrat der Grünen, Marco
Schreuder, an. Auch er sah in der „Überfrachtung“ des Fonds mit
Aufgaben, die nicht seinem ursprünglichen Ziel entsprechen, die
Gefahr, dass der ursprüngliche Zweck verloren gehe. Er verstehe, dass
man seitens der Kommission den Fonds heranziehen wolle, um den
Vorwurf, die EU reagiere zu langsam auf neue Herausforderungen, zu
entkräften. Grundsätzlich sei er aber der Ansicht, dass es sinnvoller
wäre, wenn die EU neue Finanzinstrumente einrichten würde, um neue
Schwerpunkte umzusetzen.
Die Wiener NEOS-Bundesrätin Manuela-Anna Sumah-Vospernik meinte
ebenfalls, es sei wichtig, dass Umschichtungen des Fonds nicht auf
Kosten des Bereiches Soziales gehen. Sie wollte wissen, wie
Österreich den neuen EU-Vorschlag nützen könne, um etwa
Dekarbonisierung und grüne Wirtschaft zu fördern.
Ferdinand Tiefnig (ÖVP/OÖ) erkundigte sich nach der Sicht der
anderen Mitgliedstaaten auf den Vorschlag. Er verstehe, dass die
östlichen EU-Mitglieder sich bisher bei der Zuteilung von Mittel aus
dem ESF eher im Nachteil gesehen hätten. Allerdings sehe auch er es
durchaus kritisch, wenn der Fonds nun für neue Zwecke herangezogen
werden solle.
Sozialministerium: Österreich will seine Programme wie geplant
umsetzen
Die Expertin des Sozialministeriums teilte Bundesrat Bernard mit,
dass keine zusätzlichen Mittel bereitgestellt werden sollen. Vielmehr
sei an eine Umschichtung der bestehenden ESF+-Zuteilungen gedacht.
Die vorgeschlagene Neuausrichtung berücksichtige vor allem die
Interessen der östlichen EU-Mitgliedstaaten mit Grenzregionen zu
Belarus, Russland und der Ukraine. Für sie solle es seitens der EU
auch spezielle Anreize für eine Neuausrichtung geben, etwa höhere
Vorfinanzierungen bzw. volle EU-Finanzierungen von Projekten. Der
Vorschlag spiegle daher stark die Interessen dieser EU-Länder wieder,
meinte die Expertin gegenüber Bundesrat Tiefnig.
Die von den Bundesräten Schennach und Schreuder geäußerte Skepsis
und die Kritik an einer Überfrachtung des Fonds könne sie aus Sicht
des Ressorts durchaus nachvollziehen, so die Expertin. Man habe sich
den Verordnungsvorschlag genau angesehen und stehe auf dem
Standpunkt, dass Österreich bereits einen sehr gut überlegten Weg für
den Einsatz der Mittel eingeschlagen habe. Eine Unterstützung der
gemeinsamen Verteidigungsanstrengungen sei dabei nicht im Visier
gewesen, sondern die Mittel des EU-Sozialfonds sollen für Bereiche
wie Armutsbekämpfung und Qualifizierung eingesetzt werden.
Eine Neuausrichtung der vereinbarten Programme würde zudem
umfassende innerstaatliche Verhandlungen mit Ministerien und
Bundesländern erfordern, deren zugeteilte ESF-Mittel bereits verplant
und in Umsetzung seien. Man wolle die Programme daher so
weiterführen, wie mit den Bundesländern vereinbart worden sei. Man
sei auch zu dem Ergebnis gekommen, dass eine Neuausrichtung einen
hohen Verwaltungsaufwand für die Behörden nach sich ziehen und die
Umsetzung insgesamt verlangsamen würde, sagte die Expertin des
Ministeriums. Allerdings seien an Österreich bisher keine Erwartungen
herangetragen worden, etwas an seinen Programmen zu ändern. Die
Unterstützung von Qualifizierungsmaßnahmen im Bereich der
Dekarbonisierung und grünen Transformation sei in der
österreichischen Programmumsetzung bereits vorgesehen, sagte die
Expertin in Richtung von Bundesrätin Sumah-Vospernik. (Fortsetzung EU
-Ausschuss des Bundesrats) sox