Wien (PK) – Zur Ausrichtung Österreichs in der Außen- und
Sicherheitspolitik
hielt der Bundesrat heute eine aktuelle Stunde ab, wobei sich
Außenministerin Beate Meinl-Reisinger für eine aktive Rolle
Österreichs innerhalb Europas aussprach.
Die Sitzung begann wegen der Sicherheitsüberprüfung eines
herrenlosen Koffers verspätet. Karl Weber (ÖVP/N) wurde eingangs als
neues Mitglied des Bundesrats angelobt.
Sicherheit und Schutz durch Solidarität
Außenministerin Beate Meinl-Reisinger sprach das Gefühl an, die
Welt sei angesichts scheinbar unlösbarer Konflikte und Handelskriege
aus den Fugen geraten. Österreich stünde vor den größten
Herausforderungen seit Bestehen der Zweiten Republik, meinte sie.
Dabei sei Europa nicht nur wegen seiner geographischen Lage
verwundbar, sondern auch weil es einen Raum der Freiheit und der
liberalen Demokratie darstelle. Die Lehre, die es zu ziehen gilt, ist
für Meinl-Reisinger klar: Im gemeinsamen Vorgehen in Europa müsse man
stärker werden und sowohl wirtschaftlich als auch militärisch
geopolitischer Akteur sein, sagte sie. Die Neutralität alleine
schütze nicht. Daher müsse und werde Österreich eine aktive Rolle in
der gemeinsamen Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik
einnehmen. Das Einzige was schütze, sei die Solidarität in Europa.
Gemeinsam sei man stärker als allein. Laut der Außenministerin gebe
es in der EU ein klares Bekenntnis zur Weiterentwicklung in Richtung
Verteidigungsunion – offen sei aber noch die Frage des „Wie“.
Österreich leiste seinen Beitrag bei zivilen und militärischen
Missionen seit vielen Jahren sehr verlässlich und sei ein wichtiger
Partner bei der Friedenssicherung, sagte Meinl-Reisinger ferner. Es
sei ihrer Meinung nach wichtiger denn je, die Diplomatie als erste
Verteidigungslinie aufrechtzuerhalten und sich gleichzeitig zum
Multilateralismus zu bekennen. Auch wenn die Organisation für
Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) derzeit nicht sehr
handlungsfähig sei, weil sie im Konsens entscheide – und USA,
Russland und Ukraine Mitglieder sind – sei es wichtig, die
Organisation in einer Kriegssituation nicht abzuschreiben, da sie für
den Frieden hoffentlich eine Rolle einnehmen könne, meinte die
Außenministerin.
Bekenntnis zu Multilateralismus
Für Österreich als kleines und exportorientiertes Land sei die
Außen- und Sicherheitspolitik nicht abstrakt, sondern habe konkrete
Auswirkungen, gab Christine Schwarz-Fuchs (ÖVP/V) zu bedenken. Wenn
Lieferketten reißen, seien auch Arbeitsplätze in Gefahr. Die
Bundesrätin brachte ein Bekenntnis zur Neutralität und zum
Multilateralismus zum Ausdruck und betonte Österreichs Engagement bei
zivilen und militärischen Missionen. Insbesondere die Rolle OSZE hob
sie angesichts der gegenwärtigen sicherheitspolitischen Lage als
unverzichtbar hervor. Harald Himmer (ÖVP/W) sprach sich für einen
pragmatischen Zugang Österreichs bei den EU-Programmen aus und
erinnerte an die Bedeutung des Militärs für die soziale Sicherheit.
Die Bewältigung der Verwundbarkeit Europas könne nicht nur eine
militärische sein, sagte Stefan Schennach (SPÖ/W). Er bemängelte,
dass die Bundesministerin Österreichs Neutralität nur „als Fußnote“
erwähnte, wie er meinte. Diese sei ein Beitrag zur Sicherheit in
Europa. Er sagte ferner, dass die Kohäsionspolitik Europas zugunsten
der Rüstungsindustrie zu seinem Missfallen aufgeweicht werde.
Außerdem dürfe die Europäische Menschenrechtskonvention keinesfalls
aufgeknüpft werden, wie es einige Staaten tun würden, so Schennach.
Am Multilateralismus und an internationalen Organisationen führe kein
Weg vorbei, betonte er ebenso wie seine Fraktionskollegin Claudia
Arpa (SPÖ/K). Ihr zufolge sei Sicherheit „unteilbar“. Innere und
äußere Sicherheit müssten zusammengedacht werden. „Ohne soziale
Sicherheit verlieren wir beides“, sagte sie.
Manuela-Anna Sumah-Vospernik (NEOS/W) erinnerte an die Prinzipien
der Vereinten Nationen. Man sollte sich nicht nur auf das
Gewaltverbot besinnen, und darauf, dass alle Menschen frei an Würde
und Rechten geboren sind, sondern auch auf das Recht auf
Selbstverteidigung, meinte die Bundesrätin. Sie brachte in ihrem
Redebeitrag außerdem die Unterstützung für die Bewerbung Österreichs
für einen nicht ständigen Sitz im UNO-Sicherheitsrat zum Ausdruck.
Angesichts der weltweiten Herausforderungen müsse sich Österreich
die Frage stellen, welche Rolle man in der Welt habe, meinte
Bundesrat Marco Schreuder (Grüne/W). Da es Kräfte gäbe, die Europa
zerstören wollen, müsse Österreich die europäische Architektur
absichern, so seine Haltung. Außerdem sollte man es nicht aufs Spiel
setzen, als verlässlicher Partner in der Entwicklungszusammenarbeit
wahrgenommen zu werden. Mit Kürzungen bei der humanitären Hilfe kürze
man auch den globalen Sicherheitsfaktor, meinte er. Neutralität könne
nicht bedeuten, bei internationalen Verbrechen wegzuschauen, sagte
Schreuder außerdem Richtung FPÖ.
Neutralitätsdebatte
Die Freiheitlichen vertraten nämlich ein anderes Neutralitäts-
Verständnis. So kritisierte Peter Samt (FPÖ/St) die Bundesregierung
und insbesondere die NEOS dafür, die Neutralität Österreichs
„auszuhöhlen“. Anstatt sich als Friedensvermittler zwischen Russland
und der Ukraine stark zu machen und eine eigenständige
Verteidigungspolitik zu verfolgen, sei Österreich „bedingungslose
Gefolgschaft“ Brüssels, so der Vorwurf. In diesem Zusammenhang
beanstandete er die EU-Sanktionen gegen Russland. Sie würden der
europäischen und österreichischen Wirtschaft schaden, meinte er. Sky
Shield bezeichnete er als Fehlentwicklung, die er mit der
österreichischen Neutralität nicht vereinbar und als Schaden für die
Souveränität sieht. Auch Isabella Theuermann (FPÖ/K) vertrat die
Ansicht, dass die EU-Sanktionen Österreich mehr schaden würden als
nützen. Österreich würde das aus „blinder EU-Hörigkeit“ vergessen.
Zuallererst sollte Österreich seine eigenen Sicherheitspolitischen
Interessen vertreten, meinte die Bundesrätin. (Fortsetzung Bundesrat)
fan
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