2. Wiener Gemeinderat: Rechnungsabschluss 2024 (11)

Wien (OTS) – Beratung der Geschäftsgruppe Soziales, Gesundheit und
Sport gemeinsam
mit Postnummer 4: Jahresabschluss der Unternehmung „Wiener
Gesundheitsverbund“ einschließlich der Jahresabschlüsse der Wiener
Städtischen Krankenhäuser, der Teilunternehmung Allgemeines
Krankenhaus der Stadt Wien – Medizinischer Universitätscampus und der
Teilunternehmung Geriatriezentren und Pflegewohnhäuser der Stadt Wien
mit sozialmedizinischer Betreuung für das Jahr 2024

GRin Angela Schütz, MA (FPÖ) entgegnete, dass in Wien „alles
immer schlimmer“ werde und zeigte sich enttäuscht von der
Stadtregierung. Leistungen würden gekürzt, befürchtete Schütz. Man
habe im Gesundheitsbereich ein „Liquiditätsproblem“. Es gebe außerdem
ein „personelles und strukturelles Problem, das die Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter im Gesundheitsverbund ausbaden müssen“. Mit den
vorhandenen Ressourcen könne man den Einzugsbereich an Patient*innen
– etwa auch aus dem „Speckgürtel“ Wiens – nicht mehr bewältigen. Es
gebe viele „Baustellen und ausufernde Kosten“. Gangbetten und lange
Wartezeiten – etwa bei Routine-Operationen und Fachärztinnen und
Fachärzten – seien „der vermehrte Alltag“. Wien habe zudem ein
„akutes Pflegeproblem“, da es „immer älter“ werde. Es gebe zu wenig
Fachkräfte, überdies seien viele Stellen unbesetzt. „200.000 Pflege-
und Betreuungspersonen werden laut einer Studie bis 2050 fehlen“, so
Schütz. Es brauche etwa eine bessere Bezahlung und bessere
Arbeitsbedingungen sowie „bundeseinheitliche Regelungen“. Die
Wartezeit für die Aufnahme in Pflegeeinrichtungen und betreutem
Wohnen werde immer länger. Viele Angehörige „fühlen sich
alleingelassen“, so Schütz. Es gebe außerdem „aus den Ambulanzen
weggeschickte Patientinnen und Patienten“. Zusätzlich müsse man
„lange Wartezeiten in Kauf nehmen“, so Schütz. Auch Corona sei ein
Thema, das aufgearbeitet werden müsse. Teilzeitkräfte würden
befürchten, dass sie künftig „mehr Mehrdienststunden leisten müssen“,
so Schütz. Mitarbeiter*innen würden befürchten, „künftig mehr
Zusatzdienste leisten zu müssen“, so Schütz. Grund sei der
„Personalnotstand“. Laut dem Mindestsicherungsbericht liege die
Armutsgefährdung in Wien bei über 21 Prozent. „Das heißt, die Armut
ist in der Mittelschicht angekommen“, so Schütz. Auch für
„Zuwanderungen ins Sozialsystem“ habe Wien „keine Lösung“, so Schütz.
Schließlich lobte Schütz den Fonds Soziales Wien und das Kuratorium
Wiener Pensionist*innenwohnhäuser, die „ausgezeichnet funktionieren“.
Es gebe „kompetente Beratung, gutes Service, reibungslose
Abwicklung“, schloss sie.

GRin Dr. Claudia Laschan (SPÖ) betonte, Patient*innen würden
einen Bedarf an Kassenärzt*innen im niedergelassenen Bereich haben.
Im 15. Bezirk sei es beispielsweise gelungen, eine Kassenordination
zu retten. „Über 60 regionale Gesundheitszentren im niedergelassenen
Bereich wurden errichtet – mit massiven Förderungen durch die Stadt
Wien“, so Laschan. Die ÖGK erwarte „900 Millionen Euro oder mehr
Defizit“, die Verwaltungskosten seien stark gestiegen. Gleichzeitig
gebe es Leistungskürzungen bei den Versicherten. „Die Menschen werden
älter und die Therapien werden allen Menschen zur Verfügung gestellt
– weil fast alle Menschen krankenversichert sind“, so Laschan. Dass
viele Menschen noch „bei Wahlärzt*innen zahlen“, sei eine Situation,
die man „nicht akzeptieren“ könne. Man brauche „eine Finanzierung aus
einer Hand“, forderte Laschan. Beitragserhöhungen für ältere Menschen
halte sie für „grotesk“. Laschan schloss mit dem Thema
Frauengesundheit an. Seit Herbst 2023 gebe es das
Frauengesundheitszentrum „FEM Med“ am Reumannplatz. Diese
„Orientierung im Gesundheitssystem ist für ganz viele Menschen
wichtig“, so Laschan. Vorträge, Workshops und Beratung in elf
Sprachen werde dort sehr gut angenommen. Die Wiener
Gesundheitsförderung biete viele richtungsweisende, neue Ideen,
führte Laschan aus. Jugendgesundheit sei im letzten Jahr ein
wichtiges Thema gewesen. Man habe außerdem mit
Bezirksgesundheitskonferenzen begonnen – und daraus auch „konkrete
Projekte für den Bezirk“ abgeleitet. Mittlerweile gebe es diese
Bezirksgesundheitskonferenzen in allen 23 Bezirken. Die Hotline 1450
werde immer bedeutsamer – und biete auch ärztliche Beratung. Man
werde „mit vollem Einsatz am ausgezeichneten Gesundheitssystem in
Wien“ arbeiten, so Laschan.

GR Dr. Michael Gorlitzer, MBA (ÖVP) schloss an, es fehle eine
„Digitalisierungsstrategie im Wiener Gesundheitsverbund“. Es habe
zwar erste Gesprächsrunden zu einer Digitalisierungsoffensive
gegeben, doch er sehe Nachholbedarf – etwa auch in der Telemedizin.
Dass die Hotline 1450 „umfunktioniert wird“, laufe laut Gorlitzer
gut. „Die zuverlässige Versorgungssicherheit durch die
niedergelassenen Ärzt*innen allerdings weniger“, sagte Gorlitzer. Im
niedergelassenen Bereich gebe es achtmal so viele Patient*innen pro
Arzt bzw. Ärztin als im Spitalsbereich. Die Zahl der Patient*innen
steige, jene der Ärzt*innen aber nicht. Ein Drittel der OP-
Kapazitäten stehe leer, kritisierte Gorlitzer. Stellen im
Pflegebereich und im Ärzt*innenbereich seien außerdem schwer zu
besetzen. Weiterbildungsangebote, eine positive Unternehmenskultur
und flexible Arbeitszeitmodelle seien wichtig. Gastpatient*innen aus
anderen Bundesländern seien laut Gorlitzer „nicht das Problem“. Es
sei wichtig, mehr Augenmerk auf Prävention und Vorsorge zu legen,
wies Gorlitzer auf das „Problem adipöser Kinder“ hin. Bluthochdruck,
psychische Probleme und andere seien „Folgeprobleme“ dieser
Krankheit, forderte Gorlitzer hier mehr Aktivitäten ein.

GRin Jing Hu, BA, MPharm (NEOS) stellte fest: „Gesundheit darf
kein Glücksspiel sein. Sie muss planbar, zugänglich und verständlich
sein – für jede*n Wiener*in, unabhängig von Wohnort und Einkommen.“
Man setze daher in Wien neue Standards bei Prävention und
Gesundheitsförderung und baue wohnortnahe Gesundheitszentren aus. Man
habe Primärversorgungseinheiten eingeführt, um die Spitäler zu
entlasten. Die Gesundheitsberatung 1450 gebe es mittlerweile sogar
per Video, School Nurses seien etabliert worden – als erste
Ansprechpersonen würden sie etwa über psychische Gesundheit und
Ernährung sprechen. Noch mehr niederschwellige Angebote wie etwa
„Impfen in Apotheken“ könnten ein weiterer Schritt sein, schlug Hu
vor. Man müsse „Wartezeiten minimieren und Therapieplätze ausbauen“,
so Hu. Daher werden eine Ausbildungsinitiative im Pflege- und
Gesundheitsbereich gestartet – genauso wie bessere Arbeitsbedingungen
und Entlastung durch Digitalisierung kommen würden, meinte Hu. Der
Ausbau der Digitalisierung der Gesundheitsberatung 1450 schaffe eine
niederschwellige Anlaufstelle. Telemedizin, Online-Sprechstunden und
digitale Terminvergabe solle entlasten. „Gesundheit beginnt offline“,
sagte Hu. Daher schaffe Wien mehr Sportflächen und stelle sicher,
dass alle Menschen „die Möglichkeit haben, Bewegung zu betreiben“,
etwa mit Motorikparks und ähnlichen Angeboten. Hu wolle sich „für ein
Gesundheitssystem, das vorsorgt und nicht nur verwaltet – und das
niemanden zurücklässt“ einsetzen.

GR David Ellensohn (GRÜNE) hielt fest, dass immer mehr Menschen
auf soziale Unterstützung angewiesen seien – etwa durch Inflation und
steigende Arbeitslosigkeit. „Über 400.000 Menschen in Wien sind
armutsgefährdet oder leben unter der Armutsgrenze“, so Ellensohn.
Aktuell gebe es in Wien rund 142.000 Menschen, die Mindestsicherung
beziehen. Besonders betroffen seien Alleinerziehende, Familien mit
mehr als zwei Kindern und Pensionist*innen sowie Menschen mit
Behinderung. „Kinderarmut halbieren, Altersarmut halbieren“: Das
müsse man ins Zentrum rücken und das seien auch mehrheitsfähige
Punkte, so Ellensohn. Manche würden „Menschen dorthin zurückschicken,
wo sie sterben müssen – lieber als ihnen zu helfen“, so Ellensohn.
„Sozialpolitik ist ein Fundament der Demokratie“, bekräftigte
Ellensohn. Der Zuverdienst bei Arbeitslosigkeit werde nun vom Bund
abgeschafft. Das habe Folgen für Wien, weil es den Arbeitslosen
dadurch schlechter gehe. Zwei Drittel dessen, was bei der kalten
Progression eingespart worden sei, hätten alle bekommen. Ein Drittel
habe man genommen, „um den unteren Einkommen zu helfen“, so
Ellensohn. Dieses Drittel habe man jetzt „ersatzlos“ gestrichen,
kritisierte Ellensohn. „Die schlechten Einkommen profitieren weniger
vom Familienbonus als alle anderen“, so Ellensohn. Denn: Mit hohem
Einkommen bekomme man den vollen Bonus, mit niedrigem nicht. „Je
ärmer man ist, je mehr Kinder man hat und je mehr Öffis man nutzt,
desto schärfer wird man von der aktuellen Bundesregierung getroffen“,
kritisierte Ellensohn. Am meisten helfe man arbeitslosen Menschen mit
Qualifikation. Man könne in Wien etwa über eine „Leerstandsabgabe“
nachdenken, schlug Ellensohn vor. Es gehe darum, „Kinderarmut in Wien
zu halbieren“, schloss Ellensohn. (Forts.) mag