Hoher Anteil erwerbstätiger Studierender in Österreich, finanzielle und psychische Belastungen steigen

Wien (PK) – Der Wissenschaftsausschuss des Nationalrats befasste sich
heute mit
zwei Berichten, die Einblicke in die Probleme und Anliegen der
Studierenden an Österreichs Universitäten und Hochschulen geben. Die
Berichte wurden einstimmig zur Kenntnis genommen.

Seit 1975 erscheinen in regelmäßigen Abständen die „Materialien
zur sozialen Lage der Studierenden in Österreich“ des
Wissenschaftsministeriums. Die „Materialen“, die das Ressort 2024
vorgelegt hat, enthalten unter anderem eine Auswertung der
Studierenden-Sozialerhebung 2023. Die Abgeordneten erörterten mit
Wissenschaftsministerin Eva-Maria Holzleitner und dem
Hochschulforscher Martin Unger vom Institut für Höhere Studien (IHS)
die Schlussfolgerungen aus der Erhebung. Diese zeigt etwa, dass mit
der COVID-19-Pandemie auch die Zahl der Studierenden mit finanziellen
und psychischen Problemen deutlich angestiegen ist.

Bei Fragen und Problemen, die im Studienalltag auftauchen, können
Studierende sich an die Ombudsstelle für Studierende wenden. Ihr
Tätigkeitsbericht für das Studienjahr 2023/24 zeigt, dass immer mehr
Studierende dies auch nützen. Die Leiterin der Ombudsstelle Anna-
Katharina Rothwangl, die als Auskunftspersonen in den Ausschuss
gekommen war, sah darin eine Bestätigung der Arbeit ihrer Stelle.

Sozialerhebung: Erwerbstätigkeit, Wohnen und psychische Belastung
sind Themen für Studierende

Die Studierenden-Sozialerhebung 2023 wurde in Form einer
großflächig angelegten Umfrage durchgeführt, an der fast 43.000
Bachelor-, Master- und Diplomstudierende öffentlicher Universitäten,
Fachhochschulen, Pädagogischer Hochschulen, Privatuniversitäten und
Privathochschulen in Österreich teilgenommen haben. Der Bericht des
Wissenschaftsministeriums zur sozialen Lage der Studierenden bietet
neben den Ergebnissen der Erhebung ( III-59 d.B. ) auch eine
Darstellung der direkten und indirekten Ausbildungsförderungen des
Bundes und enthält Informationen über die Entwicklung der
Studierendenzahlen und der Studienabschlüsse.

Die Sozialerhebung, die seit 50 Jahren regelmäßig durchgeführt
werde, gebe wichtige Hinweise, wo die Hochschulpolitik und -steuerung
ansetzen könne, um erfolgreiches Studieren zu fördern, sagte
Wissenschaftsministerin Eva-Maria Holzleitner. Sie zeige vor allem
auch, auf welche Bereiche ein besonderer Fokus gelegt werden müsse,
um soziale Nachteile auszugleichen. Handlungsbedarf sah die
Ministerin etwa bei der Durchlässigkeit des Bildungssystems. Nach wie
vor zeige sich, dass der Bildungsgrad der Eltern deutlichen Einfluss
auf die Aufnahme eines Studiums habe. Ein großer Teil der
Studienanfänger:innen könne sich zwar unmittelbar nach der Matura auf
ein Studium fokussieren, einige Gruppen seien hingegen mit
Mehrfachbelastungen konfrontiert. Das sei vor allem der Fall, wenn
neben dem Studium die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit notwendig sei.
Österreich liege mit dem Anteil von arbeitenden Studierenden in
Europa im oberen Drittel.

ÖVP-Abgeordneter Thomas Elian erkundigte sich, wie sich die
Erwerbstätigkeit auf den Studienerfolg auswirkt, und wie die digitale
Lehre aufgenommen werde.

Nach der digitalen Lehre erkundigte sich auch Manuel Litzke (FPÖ)
. Er sah in den Ergebnissen der Sozialerhebung vor allem die
Auswirkungen einer verfehlten Hochschulpolitik und der Corona-
Maßnahmen der letzten Jahre. Die Bundesregierung biete keine
Antworten auf steigende Lebenshaltungskosten, insbesondere beim
Wohnen. Zur psychischen Belastung trage auch eine Atmosphäre bei, in
der bestimmte Gruppen von Studierenden ausgeschlossen würden,
kritisierte der Abgeordnete. Das habe sich auch bei den ÖH-Wahlen
wieder deutlich gezeigt, wo es sogar zu gewalttätigen Angriffen auf
politische Gruppen wie den RFS gekommen sei.

Auch Abgeordnete Sigrid Maurer (Grüne) wollte wissen, welche
Gründe hinter der hohen Erwerbsquote von Studierenden in Österreich
stehen. Sie fragte auch, welche Maßnahmen die Bundesregierung für die
bessere Vereinbarkeit von Studium, Beruf und Elternschaft setzen
wolle.

Martina von Künsberg Sarre (NEOS) sprach die regional
unterschiedlichen Hochschulzugangsquoten an. Sie wollte auch wissen,
wie sich die Situation studierender Eltern darstelle und wie viele
davon Alleinerzieher:innen seien, und welche Schritte bei der
Studienbeihilfe gesetzt werden.

SPÖ-Abgeordneter Antonio Della Rossa sah in der Studie eine nach
wie vor starke soziale Selektion an den Universitäten wirken. Er
wollte wissen, welche Auswirkung der Faktor der Elternbildung hier
spielt.

Holzleitner: Finanzielle Unterstützung für Studierende im Budget
ist gesichert

Die Wissenschaftsministerin betonte gegenüber Abgeordnetem
Litzke, sie habe schon mehrfach deutlich gemacht, dass Gewalt, von
wem auch immer sie ausgehe, selbstverständlich zu verurteilen sei.

Auf die Teuerung in den letzten Jahren habe das
Wissenschaftsministerium mit einer maßgeblichen Erhöhung der
Studienförderung als Beitrag zur existentiellen Absicherung der
Studierenden reagiert. Vor allem die Valorisierung der
Studienbeihilfe sei ein wesentlicher Schritt. Im kommenden Budget sei
die Erhöhung des Mensa-Bonus ebenso gesichert wie die Finanzierung
der psychologischen Studierendenberatung, betonte Holzleitner. Was
die Unterstützung des Wohnens betreffe, so werde ein erster wichtiger
Schritt mit der Wiedereinführung der Studierendenwohnheimförderung
gesetzt. Mit den Leistungsvereinbarungen sei auch sichergestellt,
dass die Universitäten in ihre Infrastruktur und damit in die
Verbesserung der unmittelbaren Studienbedingungen investieren können.

Was die Situation von Studierenden mit Kindern betreffe, so sei
der Anteil dieser Gruppe seit der Erhebung 2019 gleich geblieben.
Laut der Sozialerhebung hätten 8 % der Studierenden mindestens ein
Kind unter 25 Jahren. Hochgerechnet betreffe dies rund 23.000
Studierende in Österreich. Der Anteil von Studierenden mit Kleinkind,
Vorschulkind oder Schulkind bis 14 Jahren sei dabei leicht
angestiegen. 2,6 % der Studierenden hätten Kleinkinder unter drei
Jahren. Etwa ein Zehntel der studierenden Eltern sei alleinerziehend.
Das entspreche insgesamt 0,9 % bzw. hochgerechnet rund 2.700 aller
Studierenden in Österreich. Gerade für Personen mit
Betreuungspflichten könne die digitale Lehre ein gutes Angebot sein,
argumentierte die Ministerin. Auch das zweite verpflichtende
Kindergartenjahr komme ihnen besonders zugute.

Unger: Zusammenwirken von Berufstätigkeit und Studium ist komplex

Martin Unger erläuterte, die Kategorie „Elternbildung“ der
Erhebung erfasse den höchsten, formalen Bildungsabschluss der Eltern
bzw. Erziehungsberechtigten. Demnach hätten knapp ein Drittel der
Studierenden Eltern ohne Maturaabschluss. Etwa ein Viertel habe
Eltern mit Matura als höchsten Bildungsgrad, bei 44 % der
Studierenden verfüge mindestens ein Elternteil einen akademischen
Abschluss. Dabei zeige sich, dass die Wahrscheinlichkeit, ein
Universitäts- oder Fachhochschulstudium aufzunehmen, für eine Person,
deren Vater über mindestens eine Matura verfügt, etwa 2,5-mal so hoch
sei wie für jene, deren Vater keine Matura habe. An Fachhochschulen,
insbesondere bei den berufsbegleitenden Studiengängen, sei der Zugang
ausgewogener als an Universitäten. In den letzten zehn Jahren habe
sich hier wenig verändert, führte der Experte aus.

Was die Motivation für eine Berufstätigkeit neben dem Studium und
die Auswirkung auf den Studienerfolg angeht, so sei diese durchaus
komplex. Als Beschäftigungsausmaß, das noch gut mit dem Studienerfolg
vereinbar sei, gehe man von etwa 10 Wochenstunden aus. Dabei sei
festzustellen, dass bei einer Berufstätigkeit, die einen Bezug zum
Studienfach hat, auch ein höheres Stundenausmaß als durchaus
vereinbar mit dem Studium gewertet werde. Das Problem werde eher
darin gesehen, dass es nicht genug solcher Jobs gebe. Mit der
Erwerbstätigkeit könne es auch zu einer Verschiebung im Fokus kommen.
So hätten etwa 23 % der Studierenden angegeben, erwerbstätig sein zu
müssen, sich aber lieber dem Studium widmen zu wollen. 25 % würden
sich aber in erster Linie als Erwerbstätige verstehen, die
berufsbegleitend studieren.

Nach wie vor bestehe ein deutliches Ost-West-Gefälle bei der
Aufnahme eines Studiums nach der Matura. Allerdings gebe es hier auch
regionale Entwicklungen, die dieses Schema durchbrechen, wobei die
Hintergründe nicht immer klar erkennbar seien.

Ombudsstelle: Hilfe bei Studienbedingungen, Studienbeihilfe und
Studienzulassung

Die Abgeordneten und die Wissenschaftsministerin würdigten die
Tätigkeit der Ombudsstelle für Studierende, die sich als
Unterstützung in einer Vielzahl von Fragen bewährt habe. Die Stelle
gebe mit ihrer Wahrnehmung der Politik auch immer wieder wichtige
Handlungshinweise, sagte Bundesministerin Holzleitner.

Auf die Frage von NEOS-Abgeordneter Ines Holzegger, ob der
Sparkurs der Bundesregierung auch Auswirkungen auf die Ombudsstelle
haben werde, hielt Bundesministerin Holzleitner fest, dass
diesbezüglich keine Wünsche an sie herangetragen worden seien. Der
Personalstand der Stelle werde gleichbleiben und sei gesichert.

Laut dem aktuellen Tätigkeitsbericht der Ombudsstelle wurden im
Studienjahr 2023/24 von Studierenden der 77 hochschulischen
Bildungseinrichtungen insgesamt 822 Anliegen an sie herangetragen,
was gegenüber dem Studienjahr 2022/23 ein Anstieg um rund 6 % ist (
III-82 d.B. ). Am häufigsten erreichten die Ombudsstelle für
Studierende Anfragen zu Studienbedingungen. Die zweitgrößte
Themengruppe betraf Fragen der Zulassung zum Studium. Lässt man
Anfragen, die als „sonstige Themen“ zusammengefasst sind, außer Acht,
so ist das dritte wichtige Einzelthema für Studierende, die sich an
die Ombudsstelle wenden, die Studienbeihilfe. Danach folgen Anliegen
zu akademischen Graden und zu Anerkennungen von bereits erbrachten
Prüfungs- und anderen Studienleistungen.

Eine Reihe ihrer Vorschläge aus früheren Berichten sieht die
Ombudsstelle als ganz oder teilweise umgesetzt. So enthalte das
Hochschul-Qualitätssicherungsgesetz nun eine einheitliche und
allgemeingültige positive Definition der guten wissenschaftlichen
Praxis (GWP) und akademischen Integrität sowie Mindeststandards für
deren Erfüllung.

Als Teil des Bemühens um eine kontinuierliche Weiterentwicklung
sei 2024 ein Feedbackverfahren durchgeführt worden. Dieses habe ein
sehr positives Ergebnis gebracht, ist dem Bericht zu entnehmen. Die
überwiegende Mehrheit der teilnehmenden Personen habe sich sowohl mit
der Serviceleistung als auch mit der Kommunikation der Ombudsstelle
zufrieden gezeigt.

Die Leiterin der Ombudsstelle, Katharina Rothwangl, teilte den
Abgeordneten mit, dass bei der Gewichtung der Anliegen sich zeige,
dass die Studienbeihilfe ein großes Thema sei. Aber auch Wohnen,
insbesondere im Zusammenhang mit den Verträgen von Studierendenheimen
bzw. dem Ausstieg aus solchen Verträgen, werde immer wieder
thematisiert. Die Ombudsstelle wolle sich daher im Herbst auch dieser
Fragen vertieft annehmen, die vor allem auch für ausländische
Studierende hohe Wichtigkeit hätten.

Zur digitalen Lehre könne sie die Wahrnehmung beitragen, dass es
vielen Studierenden ein Anliegen gewesen sei, nach der COVID-19-
Pandemie wieder an die Universität zurückkehren zu können, da die
Isolation zu Hause als besonders belastend empfunden worden sei. (
Fortsetzung Wissenschaftsausschuss) sox