Wien (OTS) – Die 183. Vollversammlung der Arbeiterkammer Wien stand
ganz im
Zeichen von Demokratie und Mitbestimmung. In einer Podiumsdiskussion
ging es um verschiedene Aspekte von Demokratie. Auch AK Präsidentin
Renate Anderl ging in ihrer Rede an die 183. Vollversammlung der
Arbeiterkammer Wien darauf ein.
Den Beginn der Vollversammlung machte eine Podiumsdiskussion zum
Thema „Demokratie: Es gibt sie nicht geschenkt – und sie wird überall
bedrängt!“ 80 Jahre Ende des Faschismus, Wiedererrichtung der
Arbeiterkammern, Gründung des ÖGB sowie Wien als Demokratiehauptstadt
2025 boten der AK Wien Anlass, sich damit zu befassen. Unter der
Moderation von Jenny Posch gaben Pia Gsaller, Jugendvertrauensrätin
bei den ÖBB, Alexander Pollak von SOS-Mitmensch und Florian
Wenninger, Leiter des Instituts für historische Sozialforschung,
Einblicke in ihre Wahrnehmung von Demokratie und Ausblicke darauf,
was nötig ist, um Demokratie und Mitbestimmung zu stärken.
Podiumsdiskussion: „Die große Zahl muss mehr zählen als die
wenigen Eliten“
Grundkonsens der Podiumsdiskussion war, dass Demokratie auf
mehreren Ebenen verbessert werden müsse. „Egal, wer du bist, Mann
oder Frau, jung oder alt, es geht darum, dass jede Stimme gehört
werden muss“, so Pia Gsaller. Sie strich die Rolle der Gewerkschaften
für die Demokratie hervor, denn Betriebsräte und Jugendvertrauensräte
seien sehr nah an den Menschen und ihren Anliegen. „Wir hören
tagtäglich ihre Meinungen, sie wissen selbst am besten, was
verbessert werden muss.“ Wichtig wäre es, so Pia Gsaller, Demokratie
und Mitbestimmung jungen Menschen zugänglich zu machen. „Sie wollen
ja mitbestimmen, aber sie wissen oft nicht, wie sie mitbestimmen
können.“
Demokratie werde meist in politischer Dimension gedacht, habe
aber auch eine materielle Dimension, so Florian Wenninger. In Zeiten
von starken Lohnzuwächsen seien Wahlbeteiligungen höher gewesen.
Aktuell bemerke man eine Abkehr von demokratischen Prozessen: „Die
Wahlbeteiligungen sinken, die Menschen haben das Gefühl, das System
funktioniert nicht für sie.“ Das Problem in der Volksvertretung sei,
dass es im Nationalrat wenig Arbeiter:innen gebe und mehr Millionäre
und Unternehmer. „In einer Demokratie muss die große Zahl mehr zählen
als Interessen weniger Eliten.“
„Demokratie bedeutet, dass man auf die Straße gehen kann, dass
man Kritik üben und auch gegen den Mainstream auftreten kann, ohne um
die persönliche Sicherheit fürchten zu müssen“, so Pollak. „Das sind
wesentliche Parameter einer funktionierenden Demokratie.“ Pollak
strich auch die Schieflage der Demokratie hervor. „Wenn sich nichts
ändert, wird Wien bis 2050 eine halbe Demokratie sein, weil die
Hälfte der Menschen im Wahlalter nicht mitwählen darf.“ Er sieht das
Staatsbürgerschaftsrecht als Ansatzpunkt, denn Österreich habe eines
der schärfsten, die Zahl der jährlichen Einbürgerungen eine der
niedrigsten.
Anderl: „Demokratie ist ein ewiges Projekt“
„Die Demokratie gerät von vielen Seiten unter Druck, gerade im
80. Jahr der Befreiung vom Faschismus und der Wiedererrichtung der
Arbeiterkammern müssen wir uns antidemokratischen Tendenzen daher
ganz entschieden entgegenstellen“, knüpfte AK Präsidentin Renate
Anderl in ihrer Rede an die Diskussion des Vormittags an. „Auch wenn
wir die enorme Vermögensungleichheit und Konzentration von
Riesenvermögen bei einigen wenigen kritisieren, hat das sehr viel mit
Demokratie zu tun. Ob in den USA, Europa oder in Österreich: Reiche
nehmen Einfluss auf die Politik, kaufen sich Gesetze, gestalten mit
ihrem Geld und Einfluss Gesellschaften zu ihrem Vorteil – und zum
Nachteil der Vielen. Das ist brandgefährlich für die Demokratie.“
Anderl ging auch auf betriebliche Demokratie und Mitbestimmung ein,
auch hier gelte: „Wir müssen wachsam sein, denn auch in Betrieben
gerät Demokratie unter Druck und ist deshalb ein ewiges Projekt.“
Mitbestimmung und Mitgestaltung seien auch deshalb wichtig, weil alle
Menschen – auch jene, die nicht wählen oder mitbestimmen dürften –
die Auswirkungen politischer Entscheidungen spüren würden – damit
schlug Anderl die Brücke zu bundespolitischen Themen. Nach der
Budgetrede des Finanzministers sehe man nun klarer, was auf die
Menschen zukommen würde. „Die schlechte Ausgangslage macht gute
Lösungen fast unmöglich“, so Anderl bezugnehmend auf das Defizit, das
vorige Regierungen hinterlassen hätten. „Daher war es jetzt wichtig,
die am wenigsten schlechten Lösungen zu finden.“ Am aktuellen Budget
fand Anderl positive und negative Aspekte. „Immerhin sind für den
Arbeitsmarkt offensive Maßnahmen geplant, zum Beispiel eine
Qualifizierungsoffensive, die Aktion 55plus oder die
Weiterbildungszeit als Weiterentwicklung der Bildungskarenz.“ Bei
neuen Einnahmen seien zwar erste Schritte gemacht, es wäre aber noch
mehr gegangen, bekräftigte Anderl die AK Forderung nach Millionärs-
und Erbschaftssteuern.
Die Vollversammlung kann in Bälde unter
https://wien.arbeiterkammer.at/ueberuns/gremien/vollversammlung/inde-
x.html nachgesehen werden.