„Ursprung allen Übels“: Volksanwaltschaft warnt vor Folgen des Personalmangels für Verwaltung und Menschenrechte

Wien (PK) – Personalmangel, lange Verfahrensdauern und strukturelle
Defizite
prägen laut Volksanwaltschaft zunehmend die österreichische
Verwaltung. Im Ausschuss für Menschenrechte und Volksanwaltschaft
diskutierten die Volksanwält:innen Elisabeth Schwetz, Gabriela
Schwarz und Bernhard Achitz mit den Abgeordneten die Ergebnisse ihres
aktuellen Tätigkeitsberichts für 2024 ( III-130 d.B. ). Im Fokus
standen dabei zentrale Problembereiche wie Asylverfahren,
Justizvollzug und Gesundheitsversorgung. Die Volksanwält:innen
machten deutlich auf strukturelle Missstände etwa bei der MA 35 in
Wien oder in Justizanstalten aufmerksam und kritisierten unter
anderem den Umgang mit Betroffenen von postviralen Erkrankungen und
fehlende Kooperationsbereitschaft seitens des Familienministeriums.
Die Abgeordneten nahmen den Bericht einstimmig zur Kenntnis.

Tätigkeitsbericht der Volksanwaltschaft für 2024

Eine zunehmende Belastung der Verwaltung durch anhaltende Krisen
und Personalmangel, besonders in den Bereichen Innere Sicherheit,
Gesundheit und Justiz prägten laut Bericht das Jahr 2024. Insgesamt
gingen rund 24.000 Beschwerden bei der Volksanwaltschaft ein, in etwa
20 % der abgeschlossenen Prüfverfahren wurden Missstände
festgestellt. Hauptthemen waren Asyl- und Fremdenrecht, Sozial- und
Gesundheitsversorgung sowie Justizvollzug. Ein starker Anstieg war
bei den Beschwerden über das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA
) zu verzeichnen, vor allem über die Dauer von Asylverfahren. Lange
Wartezeiten waren neben zu geringen Kostenersatzzahlungen auch ein
Hauptbeschwerdegrund im Gesundheitsbereich. In des Justizanstalten
war ein „drückender Überbelag“ und der Personalmangel die
Hauptthemen.

Die Volksanwaltschaft führte zudem 458 präventive
Menschenrechtskontrollen durch, wobei bei etwa zwei Dritteln Mängel
festgestellt wurden. Auch hier war der Personalmangel – etwa in
Pflegeheimen oder Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe – ein
zentraler Risikofaktor. Bezüglich der Menschen mit Behinderungen
werden im Bericht insbesondere Mängel bei der De-
Institutionalisierung hervorgehoben.

Schwetz: Behörden sollen mit Bürger:innen „auf Augenhöhe“
kommunizieren

Die gestiegene Anzahl an Beschwerden, nach der sich Christian
Lausch (FPÖ), Johann Weber (ÖVP), Martina Diesner-Wais (ÖVP) und
Gudrun Kugler (ÖVP) erkundigten, führte Volksanwältin Elisabeth
Schwetz einerseits auf einen generellen Ressourcenmangel in den
verschiedenen Bereichen zurück. Die Qualität der Verwaltung leide
insbesondere unter den Personalengpässen. Andererseits sei der
Anstieg laut Schwetz auch durch die erhöhte Bekanntheit der
Volksanwaltschaft, etwa durch die ORF-Sendung „Bürgeranwalt“ sowie
das generell hohe Vertrauen in das Kontrollorgan und den
niederschwelligen Zugang zu dessen Angeboten zu erklären. Letzterer
soll durch eine neue Website, die sich gerade in Arbeit befinde,
zusätzlich verbessert werden, wie Olga Voglauer (Grüne) erfragte.
Viele der eingelangten Beschwerden fielen nicht in den
Kompetenzbereich der Volksanwaltschaft. Die Betroffenen würden in
diesen Fällen an die zuständigen Stellen weiterverwiesen, so Schwetz.
Generell empfehle die Volksanwaltschaft den Behörden mit den
Bürger:innen „auf Augenhöhe“ zu kommunizieren, da viele Probleme etwa
dadurch entstünden, dass Rechtsakte nicht ausreichend erklärt würden.

Der von Christian Lausch (FPÖ) angesprochene Anstieg an
Einmeldungen im Bereich der Inneren Sicherheit, sei laut Schwetz
insbesondere auf vermehrte Beschwerden über die Dauer von Verfahren
im Asyl- und Fremdenrecht zurückzuführen. Die Anzahl an Beschwerden
korreliere hier mit der Anzahl an Anträgen. Ein Großteil davon
betreffe die MA 35 in Wien, die mit einer starken Fluktuation an
Mitarbeiter:innen aufgrund der hohen Arbeitsbelastung zu kämpfen
habe. Die Dauer der Verfahren sei „immer noch nicht befriedigend“ und
man befinde sich mit dem Magistrat im regelmäßigen Austausch, so
Schwetz. Von Stephanie Krisper (NEOS) und Agnes Sirkka Prammer (Grüne
) nach der Ermittlungs- und Beschwerdestelle Misshandlungsvorwürfe
gegen Polizist:innen (EBM) gefragt, sprach Schwetz von einer „guten
Zusammenarbeit“. Trotz anfänglicher Kritik an deren Ansiedlung im
Innenministerium, werde ihr Angebot gut angenommen.

Bei der Auszahlung des Klimabonus hätten sich „seit Jahren
vielfältige Probleme“ gezeigt, antworte Schwetz SPÖ-Abgeordneten
Alois Schroll. Diese reichten von technischen Gebrechen bis zu nicht
aktualisierten Kontonummern. Aber auch der Wortlaut der Verordnung
habe zu Unklarheiten insbesondere bezüglich der Zustellung geführt,
wie Schwetz ausführte.

Schwarz erörtert Beschwerden im Finanz- und Justizbereich

Auch im Finanzbereich spielten Beschwerden bezüglich des
Energiekostenausgleichs eine Rolle, erklärte Volksanwältin Gabriela
Schwarz auf Nachfrage von Martina Diesner-Wais (ÖVP). Generell
rührten viele Beschwerden daher, dass einige Angebote der
Finanzbehörden nur mehr digital wahrzunehmen seien. Dies schließe
Menschen aus, die im Umgang mit digitalen Systemen wie der Handy-
Signatur „nicht so fit“ seien. Zahlreiche Beschwerden hätten laut
Schwarz auch die ORF-Beitrags Service GmbH (OBS) betroffen. Sei dabei
zunächst die Ablehnung der Haushaltsabgabe an sich im Zentrum
gestanden, habe sich der Fokus nunmehr auf technische Fragen wie das
Vorliegen falscher Meldedaten verschoben.

Im Justizbereich sei der Personalmangel „der Ursprung allen
Übels“, erklärte Schwarz gegenüber Gudrun Kugler (ÖVP) und Stephanie
Krisper (NEOS). Dies gelte sowohl für das Exekutiv- als auch das
Gesundheits- und Fachpersonal. Aufgrund der Überbelegung der
Justizanstalten herrsche eine „permanente Überbelastung“ der
Mitarbeiter:innen, die zu häufigen Langzeitkrankenständen führe. Da
helfe es auch nicht, wenn alle Planstellen „auf dem Papier“ besetzt
seien, so Schwarz. Zudem werde Gesundheitspersonal etwa in der
Privatwirtschaft wesentlich besser bezahlt und die Recruiting-
Maßnahmen der letzten Jahre seien auf keinen „fruchtbaren Boden
gefallen“. Die Ausweitung der Möglichkeiten für den elektronische
überwachten Hausarrest biete laut Schwarz jedoch einen
„Hoffnungsschimmer“ hinsichtlich der Reduktion der Überbelegung.

Die „permanent steigende Anzahl“ an Suiziden in Justizanstalten
sei ebenfalls eine Auswirkung des Personalmangels. Schwarz drückte
ihr Unverständnis darüber aus, dass die Empfehlungen der damit
befassten Expert:innenkommission nicht schneller umgesetzt würden.
Dazu zähle etwa die Überprüfung der Suizidalität der Insassen ab der
sechsten bis achten Haftwoche. Den Häftlingen werde in dieser Zeit
erst wirklich bewusst, was Haft bedeute, erklärte Schwarz.

Achitz informiert über Missstände im Familienministerium und
„unbefriedigenden“ Umgang mit ME/CFS-Erkrankten

Wenn die Volksanwaltschaft eine Behörde auf einen Missstand
aufmerksam macht, reagierten sowohl diese als auch die politisch
Verantwortlichen in der Regel positiv darauf, führte Volksanwalt
Bernhard Achitz aus. Man kümmere sich um die Mängel, rege vielleicht
eine Gesetzesänderung an, oder erkläre, warum keine Änderung
vorgenommen werden könne. Mit dem Familienministerium gestalte sich
die Kommunikation jedoch bereits „seit vielen Jahren anders“,
erklärte Achitz gegenüber Rosa Ecker (FPÖ), Bernhard Höfler (SPÖ) und
Agnes Sirkka Prammer (Grüne). Wende sich die Volksanwaltschaft etwa
aufgrund von Missständen beim Kinderbetreuungsgeld an die zuständigen
Krankenversicherungsträger, verwiesen diese auf „klare Weisungen“ des
Ministeriums, die keine anderen Vorgangsweisen erlaubten. Werde das
Familienministerium selbst auf Missstände aufmerksam gemacht,
argumentiere es mit einer „anderen Rechtsmeinung“ und von politischer
Ebene kämen „dubiose Antworten“, so Achitz. Währenddessen müssten
viele Anspruchsberechtigte „unzumutbar lange“ auf ihr
Kinderbetreuungsgeld warten und würden im „bürokratischen Dschungel
alleine gelassen“. Zudem gebe es eine aus Achitz‘ Sicht rechtswidrige
Weisung des Ministeriums, die es den Beamten verbiete, mit der
Volksanwaltschaft oder der Arbeiterkammer zu kooperieren.

Ein „sehr sehr unbefriedigendes System“ konstatierte Achitz auch
im Umgang mit Betroffenen von postviralen Erkrankungen wie Myalgische
Enzephalomyelitis/Chronisches Fatigue-Syndrom (ME/CFS). Gegenüber
Romana Deckenbacher (ÖVP), Rudolf Silvan (SPÖ) und Olga Voglauer (
Grüne) beschrieb er den „Spießrutenlauf“ den Betroffene etwa zur
Beantragung des Rehabilitationsgeldes zu absolvieren hätten. Oft
müssten sie mehrere Gutachter:innen aufsuchen, die diese Krankheiten
fälschlicherweise als psychische diagnostizierten. Zudem könne
alleine das Aufsuchen von Gutachter:innen zu einer Verschlechterung
des Gesundheitszustands führen, so Achitz. Hier seien „dringend
Anpassungen vorzunehmen“.

Handlungsbedarf gebe es auch in der Kinder- und Jugendhilfe, wie
Reinhold Maier (FPÖ), Pia Maria Wieninger (SPÖ), Bernhard Höfler (SPÖ
), Stephanie Krisper (NEOS) und Agnes Sirkka Prammer(Grüne)
erfragten. Insbesondere für Kinder und Jugendliche mit speziellen
Bedürfnissen gebe es nicht genug Plätze und die psychiatrische
Versorgung liege in ganz Österreich „im Argen“, attestierte Achitz.
Das Problem liege hierbei schon in der Ausbildung und man müsse sich
mit der Ärztekammer abstimmen, um mehr Student:innen für diese
Richtung zu begeistern.

Weitere Themen waren der Anspruch auf einen „Papamonat“ bei
Adoptionen, die Heimopferrente, Ausbildungsstandards in der Pflege,
Kinderschutzkonzepte, der Zugang von Minderheiten zu Angeboten der
Volksanwaltschaft und die Auswertung von Beschwerden nach
Diversitätskriterien, die Allgemeine Unfallversicherung,
Sterbeverfügungen sowie Beschwerden über die österreichischen
Botschaften in Teheran und Islamabad. (Schluss Ausschuss für
Menschenrechte und Volksanwaltschaft) wit