Dornbirn/Wien (OTS) – Sie sind nur wenige Wochen alt, noch auf
Muttermilch angewiesen – und
dennoch über 1.400 Kilometer unterwegs: Kälber aus Österreich und
Deutschland, die in Spanien gemästet und später ohne Betäubung in
Nordafrika und im Nahen Osten geschlachtet werden.
In einer gemeinsamen Recherche dokumentieren die investigative
Plattform The Marker und die Tierrechtsorganisation SOKO Tierschutz
systematische Missstände beim Transport von Kälbern sowie tote und
geschwächte Tiere in spanischen Mastanlagen. Weiter belegen sie mit
offiziellen Unterlagen den Weiterexport zur Schlachtung nach
Nordafrika und in den Nahen Osten. SOKO Tierschutz hat Strafanzeige
erstattet.
Zwtl.: 1.400-Kilometer-Transport überschreitet zulässige Dauer
deutlich
Im April 2025 dokumentierte das Rechercheteam von The Marker und
SOKO Tierschutz einen Transport von Milchkälbern ab einer
Sammelstelle in Bayern, an der wöchentlich Kälber aus
Milchviehbetrieben gesammelt und für den Export verladen werden. Die
Fahrt führte über Frankreich bis zu einer Sammelstelle in
Nordostspanien. Dort stand der LKW nach rund 18 Stunden Transportzeit
weitere vier Stunden – ohne Entladung der Tiere.
Die dokumentierte Gesamttransportzeit von 22 Stunden
überschreitet die in der EU geltenden Höchstgrenzen deutlich. SOKO
Tierschutz hat Strafanzeige gegen die Transportfirma erstattet.
Zwtl.: Gesundheitsrisiko: Spanien mästet Europas Überschusstiere
An der Sammelstelle in Spanien wurden die Kälber auf regionale
LKWs verladen und in verschiedene Mastbetriebe im Landesinneren
gebracht. Spanien hat sich auf die Mast männlicher Jungtiere
spezialisiert, die in Ländern wie Österreich und Deutschland als
wirtschaftlich unrentabel gelten.
In einem Mastbetrieb konnten Kälber aus sechs Ländern anhand
ihrer Ohrmarken identifiziert werden – sie stammten aus Österreich,
Deutschland, Tschechien, Litauen, Frankreich und Irland. Insgesamt
besuchte das Rechercheteam elf Masthallen. Sie dokumentierten kranke,
sterbende und tote Tiere.
Tobias Giesinger, Gründer von The Marker : „ In einem spanischen
Mastbetrieb haben wir Kälber aus gleich sechs verschiedenen Ländern
gesehen. Landwirte, mit denen wir gesprochen haben, wussten oft nicht
einmal, woher ihre Tiere genau kommen. Dieses System birgt enorme
Gesundheitsrisiken – vielerorts bleibt nur der routinemäßige Einsatz
von Antibiotika. “
Zwtl.: Dokumente belegen: Weiterexport nach Libyen, Ägypten und in
den Libanon
Über den spanischen Hafen Tarragona wird ein Teil dieser Kälber
nach der Mast weiter nach Nordafrika und in den Nahen Osten
verschifft. The Marker hat offizielle Ladelisten mehrerer
Tiertransportschiffe über die Tierschutzorganisation „Animal Welfare
Foundation“ erhalten. Diese Dokumente belegen, dass Rinder über die
Tiere zur Schlachtung nach Libyen, Ägypten und den Libanon gebracht
wurden – darunter auch aus Österreich stammende. Sie stammen aus
Milchviehbetrieben in ganz Österreich und wurden über mehrere
Zwischenhändler nach Spanien gebracht.
Ann-Kathrin Freude, Gründerin von The Marker : „ Wir sehen alle
nur einen Teil: die Milchpackung im Supermarkt, den Bauernhof nebenan
oder den Tiertransporter auf der Straße. Was dabei oft fehlt, ist der
Blick aufs Ganze. Unsere Recherche zeigt, wie das System mit den
ungewollten Kälbern funktioniert – über Ländergrenzen hinweg und
weitgehend unsichtbar für die Öffentlichkeit. Nicht einmal die
Landwirt:innen wissen, dass ihre Tiere am Ende außerhalb der EU
geschlachtet werden. “
Zwtl.: 34.207 Kälber aus Österreich im Jahr 2024 – Politik schaut weg
Sobald die Tiere Österreich verlassen, fehlt es an Transparenz –
und politischem Interesse. Allein im Jahr 2024 wurden 34.207 Kälber
aus Österreich zum Zweck der Mast in andere EU-Staaten exportiert. EU
-weit waren es über zwei Millionen, die quer durch Europa verschoben
wurden. Die Verantwortung für ihr Wohlergehen wird entlang der
Lieferkette weitergereicht. Tragen will sie am Ende niemand.