Wien (OTS) – Derzeit wird in Österreich vermehrt über die Nutzung der
französischen Lebensmittelampel, dem Nutri-Score, auf
Lebensmittelverpackungen diskutiert. Mit diesem Ampelsystem (rot-gelb
-grün) werden Lebensmittel nach einem französischen Berechnungsmodell
mit einem farblichen Buchstabencode von einem grünen „A“ bis zu einem
roten „E“ versehen und so in „gut“ und „schlecht“ eingeteilt. Die
österreichische Lebensmittelindustrie steht diesem Modell seit Jahren
kritisch gegenüber. „Der Nutri-Score hat sich bis heute in der EU
nicht etabliert. Er wird von 20 Mitgliedstaaten nicht unterstützt,
manche lehnen ihn ausdrücklich ab. Die Kritik an seinem Konzept ist
zuletzt in der Wissenschaft und bei den Unternehmen lauter geworden.
Als EU-weites Modell ist der Nutri-Score somit faktisch gescheitert“,
bringt es Katharina Koßdorff, Geschäftsführerin des Fachverbands der
Lebensmittelindustrie, auf den Punkt. Das ist nicht nur in der EU zu
erkennen, sondern auch in der Schweiz. „Jetzt noch auf den Nutri-
Score zu setzen, ist wenig sinnvoll. Wir müssen neu denken“, so
Koßdorff.
Zwtl.: Nutri-Score ohne Gesundheitswirkung
„Noch mehr Kennzeichnung auf Lebensmittelverpackungen führt nicht
zu einer gesünderen Ernährungsweise. Die Ampel macht nicht schlank“,
unterstreicht Koßdorff. Das trifft insbesondere auf den Nutri-Score
zu, der lange als ideales Mittel galt, um Übergewicht und Adipositas
in der Bevölkerung zu bekämpfen. Die Europäische Kommission hat in
ihrem umfassenden Bericht 2020 festgestellt, dass kein Zusammenhang
zwischen einer zusätzlichen farblichen Nährwertangabe auf der
Hauptschauseite von Lebensmittelverpackungen und einer besseren
Ernährungsweise bzw. Gesundheit der Menschen belegt ist. Auch die
Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) resümierte in
ihrer Evaluierung 2022, dass es keine ausreichenden Belege für einen
Gesundheitseffekt des Nutri-Scores gibt.
Darüber hinaus ist der Nutri-Score als französische Marke
zunehmend fachlich umstritten, da er für die Konsumentinnen und
Konsumenten teilweise irreführende Ergebnisse liefert (Pizza „grünes
A“, Vollmilch „gelbes C“ udgl.). Auch wird kritisiert, dass etwa
„Bio“-Qualitäten nicht positiv bewertet werden. Somit geht der
Hinweis, der Nutri-Score würde mündigen Konsumentinnen und
Konsumenten helfen, eine informierte Entscheidung zu treffen, ins
Leere. Auch liegen die Rechte an der Marke Nutri-Score bei
Frankreich. Österreich kann diese daher ohne ausdrückliche Zustimmung
Frankreichs nicht anpassen.
Zwtl.: EU-weite Regeln statt nationaler Vorgaben
Eine österreichische gesetzliche Vorgabe oder Empfehlung für die
Nutzung des französischen Nutri-Scores würde die heimischen
Lebensmittelexporteure auch wirtschaftlich treffen, da Verpackungen
laufend anzupassen wären. Die französische Lebensmittelampel Nutri-
Score wird nämlich in den Mitgliedstaaten unterschiedlich bewertet:
Während Deutschland als wichtigster Exportmarkt für österreichische
Lebensmittel und Getränke den Nutri-Score empfiehlt, lehnt Italien
als zweitwichtigster Exportmarkt heimischer Lebensmittel und Getränke
diesen mit Nachdruck ab. In Italien werden Etiketten mit einem Nutri-
Score als irreführend beanstandet und Hersteller mit Bußgeldern
bestraft. Hinzu kommt, dass auch alle anderen Nachbarländer
Österreichs außer der Schweiz den Nutri-Score ablehnen.
Eine breite Anwendung des Nutri-Scores durch heimische
Lebensmittelhersteller, die sowohl nach Deutschland als auch nach
Italien und in weitere 180 Exportländer liefern, würde bedeuten, dass
Verpackungen laufend geändert und an die jeweiligen Märkte angepasst
werden müssten – ein massiver bürokratischer und finanzieller
Aufwand, der in Zeiten der wirtschaftlichen Stagnation und sinkender
preislicher Wettbewerbsfähigkeit der Branche schlichtweg nicht zu
stemmen ist.
Der Export ist für die heimische Lebensmittelindustrie
unverzichtbar: Zwei von drei in Österreich erzeugte Lebensmittel
werden in andere Märkte weltweit geliefert. Der Export sichert die
Produktion und die Jobs und schließlich die tägliche Versorgung der
Bevölkerung in Österreich. Damit das weiterhin möglich ist, setzt
sich die Branche für EU-weit einheitliche Regeln bei der
Kennzeichnung von Lebensmitteln ein und lehnt jede nationale
Sonderregelung ab. Um den freien Warenverkehr im Binnenmarkt zu
sichern, schließt das auch nationale Empfehlungen ein.
Die französische Lebensmittelampel Nutri-Score war in den
vergangenen Jahren nur ein Modell von vielen: So präferiert Italien
ein „Batterie“-System und die skandinavischen Länder ein
Schlüsselloch-Modell. Sollte die Europäische Kommission ein EU-weit
einheitliches Modell für eine zusätzliche Nährwertkennzeichnung auf
der Hauptschauseite vorlegen, das wissenschaftlich fundiert,
diskriminierungsfrei und leicht verständlich ist sowie als
täuschungsfreie Information keine Behinderung des freien
Warenverkehrs bedeutet, stehen die österreichischen
Lebensmittelhersteller der Nutzung eines solchen EU-Modells offen
gegenüber.
Zwtl.: Ernährungsbildung für gesunde Ernährung und Lebensweise ist
längst überfällig
Übergewicht hat viele Ursachen – von einer übermäßigen
Energieaufnahme durch die Ernährung und einem zu geringen
Energieverbrauch aufgrund mangelnder Bewegung bis hin zu
Schlafmangel, Stress oder genetischer Veranlagung. In Bezug auf die
Ernährung fordert die Lebensmittelindustrie erneut, den Fokus auf
Ernährungsbildung zu legen. „Anstatt noch mehr Kennzeichnungen auf
Lebensmittelverpackungen vorzuschreiben, sollten wir endlich mehr
Basiswissen über Lebensmittel und einen gesunden Lebensstil
vermitteln, idealerweise bereits ab dem Kindesalter. Denn nachhaltige
gesundheitliche Lenkungseffekte lassen sich nur durch konsequente
Ernährungsbildung hin zu einem gesunden Lebensstil mit ausgewogener
Ernährung und ausreichender Bewegung erzielen – und diese ist bei uns
längst überfällig“, so Koßdorff. Nur so können die Konsumentinnen und
Konsumenten aus dem breiten und vielfältigen Produktangebot jene
Lebensmittel auswählen, die optimal zu ihren individuellen
Ernährungsbedürfnissen passen. Zusätzlich setzt die
Lebensmittelindustrie seit vielen Jahren auf neue Rezepturen und
Innovationen mit weniger oder keinen Kalorien und entwickelt das
Angebot an sicheren und qualitativ hochwertigen Produkten „Made in
Austria“ stetig weiter.
Koßdorff abschließend: „Als Lebensmittelindustrie haben wir mit
der Wissensplattform ‚Österreich isst informiert ‚ bereits jahrelange
Aufklärungsarbeit geleistet. Sinnvolle Programme zur
Ernährungsbildung finden unsere Unterstützung.“
Zwtl.: Stellenwert der Lebensmittelindustrie in Österreich
Die Lebensmittelindustrie ist eine der größten Branchen
Österreichs. Sie sichert im Interesse der Konsumentinnen und
Konsumenten tagtäglich die Versorgung mit sicheren, qualitativen und
leistbaren Lebensmitteln. Die rund 200 Unternehmen mit ihren 27.400
direkt Beschäftigten erwirtschafteten 2024 ein Produktionsvolumen von
12 Mrd. Euro. Rund 10 Mrd. Euro davon werden im Export in über 180
Länder abgesetzt. Der Fachverband unterstützt seine Mitglieder durch
Information, Beratung und internationale Vernetzung.