Bundesrat stimmt besseren Haltungsstandards in der Schweinezucht ab 2034 zu

Wien (PK) – Anfang 2024 hat der Verfassungsgerichtshof die für das
Verbot von
„unstrukturierten Vollspaltenbuchten ohne Funktionsbereich“ in der
Schweinhaltung vorgesehene Übergangsfrist bis 2040 als zu lang und
als sachlich nicht gerechtfertigt beurteilt. Da die Bestimmung per 1.
Juni aufgehoben wurde, haben ÖVP, SPÖ und NEOS eine Novelle zum
Tierschutzgesetz vorgelegt, die heute nun auch mehrheitlich –
inklusive der Stimmen der Freiheitlichen – den Bundesrat passiert
hat.

Wie schon im Nationalrat übten die Grünen heftige Kritik an der
Lösung, weil damit der Einsatz von „Vollspaltenböden auf Jahrzehnte
hin einzementiert“ werde, befürchtete die niederösterreichische
Bundesrätin Simone Jagl. Da der zentrale Punkt – nämlich der
schrittweise Ausstieg aus der Haltung von Schweinen auf
Vollspaltenböden – gekippt worden sei, würde nun jeglicher Druck
wegfallen, tierschutzgerechte Mindeststandards festzulegen. Der von
ihr in der Sitzung eingebrachte Entschließungsantrag betreffend ein
Maßnahmenpaket für eine tiergerechte Schweinehaltung fand keine
Mehrheit.

Gute Lösung im Sinne des Tierwohls und der Planungssicherheit

Staatssekretärin Ulrike Königsberger-Ludwig sprach von einer
„guten Lösung“ für beide Seiten, die auch vor dem
Verfassungsgerichtshof halten werde. Einerseits würde damit dem
Tierwohl Rechnung getragen und andererseits für Planungssicherheit
sowie Wettbewerbsfähigkeit bei den Bäuer:innen gesorgt. Man werde
unter anderem dafür sorgen, dass die große Mehrheit der Schweine ab
Juni 2034 „auf guten, neuen Böden stehen“ werde.

Bereits ab 2029 soll zudem in allen Betrieben organisches
Beschäftigungsmaterial zur Verfügung gestellt und die Besatzdichte
verringert werden. Im Rahmen des Projekts „IBeST+“ soll überdies an
der Weiterentwicklung der Mindeststandards gearbeitet werden, betonte
Königsberger-Ludwig.

Die Eckpunkte der Novelle zum Tierschutzgesetz

Durch die von ÖVP, SPÖ und NEOS vorgeschlagene Änderung des
Tierschutzgesetzes wird die zunächst vorgesehene Übergangsfrist in
Bezug auf die Vollspaltenböden in bestehenden Ställen nun um sechs
Jahre verkürzt. Ab 1. Juni 2034 ist dann nur mehr die Haltung in
sogenannten strukturierten Vollspaltenbuchten erlaubt, die zu einem
Drittel aus Liegefläche bestehen müssen.

Für Betriebe, die zwischen Juni 2018 und Dezember 2022 in neue
Ställe investiert haben, ist eine individuelle Übergangsfrist von 16
Jahren vorgesehen, und zwar je nach Zeitpunkt der Fertigstellung der
baulichen Maßnahmen. Diese Härtefallregelung soll rund 170 Betriebe
betreffen.

Bereits ab dem 1. Juni 2029 sollen zudem erste Verbesserungen
auch in bestehenden Ställen umgesetzt werden, und zwar in Bezug auf
das Platzangebot sowie die Ausstattung mit zusätzlichem organischem
Beschäftigungsmaterial (z.B. Stroh). Auf Basis der Ergebnisse des
Forschungsprojekts „IBeST+“ sollen ferner neue Mindeststandards für
die Haltung von Mastschweinen erarbeitet werden.

Grüne vermissen „echte Reparatur“ des Gesetzes und fordern
verbindliche Regeln für eine würdevolle Nutztierhaltung

Bundesrätin Simone Jagl (Grüne/N) stellte das Zitat, wonach man
den „moralischen Fortschritt einer Nation daran messen könne, wie sie
ihre Tiere behandle“, ihrer Rede voraus. Gerade Schweine seien sehr
intelligente, soziale und lernfähige Lebewesen, die miteinander
kommunizieren könnten. Die nun vorliegende Änderung des
Tierschutzgesetzes bringe nun sogar insofern eine Verschlechterung,
als die Frist zur Einführung eines Mindeststandards in der
Schweinehaltung gestrichen wurde, beklagte Jagl.

Es sei nun einzig und allein gesichert, dass ab 2034 der
sogenannte strukturierte Vollspaltenboden, der eigentlich nur als
Zwischenschritt angedacht war, zum Einsatz kommen müsse. Dadurch
werde aber das Leid der Tiere kaum verringert, da die Liegefläche
weiterhin einen Spaltenboden aufweise, gab Jagl zu bedenken, nur die
Spaltengröße sei etwas kleiner. Es sei nicht nur im Tierschutzgesetz
klar festgelegt, dass Tieren kein Leid zugefügt werden dürfe, auch 90
% der Bevölkerung würden den Einsatz von Vollspaltenböden ablehnen.
Ein umfassendes Maßnahmenpaket zur tiergerechten Schweinehaltung, das
unter anderem klare Kennzeichnungspflichten, die konsequente
Verankerung von Tierwohlkriterien in der öffentlichen Beschaffung,
einen zielgerichteten Einsatz von Fördermitteln sowie eine
transparente Information der Konsument:innen umfasst, sei daher
dringend notwendig, unterstrich die Bundesrätin.

SPÖ begrüßt Verkürzung der Übergangsfrist von 17 auf 9 Jahre

Der Großteil der Schweine in Österreich werde in Haltungssystemen
mit Vollspaltenbuchten gehalten, konstatierte Bundesrat Thomas Schmid
(SPÖ/B). Trotz eines Anstiegs in den letzten Jahren würden weiterhin
weniger als 10 % des Schweinefleischs in Österreich mit Tierwohl-
Siegel oder als Bioprodukt vermarktet. Es sei richtig, dass der
Einsatz von Vollspaltenböden mit massiven Gesundheitseinbußen für die
Tiere verbunden sei. Aus diesem Grund habe sich das Burgenland, das
auch die VfGH-Klage angestrengt habe, für ein baldiges Verbot der
Haltung auf Vollspaltenböden sowie für die Bereitstellung von
ausreichenden Liegeflächen und mehr Auslauf für die Tiere eingesetzt.
Die nun vorliegenden Änderungen stufte Schmid als eine
Kompromisslösung ein, die einige Verbesserungen sowie mehr Rechts-
und Planungssicherheit für die Landwirt:innen bringe. Es werde damit
auch ein klares Zeichen für Tierwohl, für verbindliche Standards und
für eine zukunftsfähige Landwirtschaft gesetzt, schloss sich Gabriele
Kolar (SPÖ/St) ihrem Bundesratskollegen an.

ÖVP: Neuregelung schafft Planungssicherheit für die
landwirtschaftlichen Betriebe

Auch Bundesrätin Elisabeth Lindner-Wolff (ÖVP/W) sprach von einem
tragfähigen Kompromiss, der aufgrund des VfGH-Urteils schnell
gefunden werden musste. Die Neuregelung der Übergangsfristen für
Vollspaltenböden in der Schweinehaltung trage zu mehr
Planungssicherheit bei und gewährleiste einen Fortbestand der
heimischen Schweinezuchtbetriebe, zeigte sich Lindner-Wolff
überzeugt. Gleichzeitig werde der Faktor Tierwohl gestärkt, da ab
Juni 2029 strengere Standards in den Ställen gelten werden. Sie
hoffe, dass dies auch von den Konsument:innen entsprechend geschätzt
werde. Viktoria Hutter (ÖVP/N) ging noch einmal auf die zentralen
Punkte des Gesetzes ein und stellte mit Nachdruck fest, dass sich die
Bäuer:innen nicht gegen die Weiterentwicklung von Standards verwehren
würden. Es brauche jedoch klare Rahmenbedingungen, die nun
erfreulicherweise gerade noch rechtzeitig beschlossen werden, hob
auch Ferdinand Tiefnig (ÖVP/O) hervor.

FPÖ fordert Herkunftskennzeichnung sowie Änderungen bei den
Lebendtiertransporten, beim Schächten und beim Gebrauchshundesport

Bundesrat Thomas Karacsony (FPÖ/B) zeigte sich verwundert
darüber, warum ein so wichtiges Gesetz für die Bäuer:innen im
Gesundheitsausschuss behandelt worden ist. Seiner Meinung nach
brauche es mehr Unterstützung für die Landwirtschaft und vor allem
eine Herkunftskennzeichnung, die ihren Namen auch verdiene. Die
Freiheitlichen stehen jedenfalls für einen Tierschutz mit Maß und
Ziel, der die Existenz der Landwirt:innen nicht gefährden dürfe,
betonte Marlies Steiner-Wieser (FPÖ/S). Da für die Bauern und
Bäuerinnen Planungssicherheit wichtig sei, werde ihre Fraktion der
Novelle zustimmen. Dennoch gab Steiner-Wieser zu bedenken, dass der
Abbau der Vollspaltenböden massive finanzielle Auswirkungen auf die
Landwirt:innen haben werde.

Handlungsbedarf gebe es ihrer Ansicht nach auch in anderen
Bereichen, wie etwa bei den Lebendtiertransporten oder beim
„Schächten“, wo die Regelung „viel zu schwammig“ sei. Nach wie vor
würde in vielen Fällen den Tieren bei vollem Bewusstsein die Kehle
durchgeschnitten, zeigte Steiner-Wieser auf. Unzufrieden zeigte sie
sich auch mit den Bestimmungen bezüglich der
Gebrauchshundeausbildung, weil damit die Ausübung dieses
international angesehenen Sports in Österreich verunmöglicht werde. (
Fortsetzung Bundesrat) sue

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